Kritik zu Mamma Ante Portas
Der Franzose Éric Lavaine dreht eine Fortsetzung von »Willkommen im Hotel Mama«. Nun ist es Mutter Jacqueline, die ungebeten bei der Tochter einzieht
Es ließe sich als gezielter Racheakt von Jacqueline verstehen, dass sie nun, einige Jahre nachdem sie ihre damals arbeitslos gewordene Tochter Stéphanie bei sich aufgenommen hat, übergangsweise bei ihrer Tochter Carole einzieht. Doch es handelt sich lediglich um nassforsche Unbekümmertheit aufseiten der Endsechzigerin. Oder es lässt sich als Teil eines ungeschriebenen Generationenvertrags, eines Familiengesetzes verstehen, dass Eltern ihren Kindern immer helfen und umgekehrt. Doch Éric Lavaine bleibt in »Mamma Ante Portas« zu sehr an der Oberfläche, um das zu ergründen. Dem französischen Regisseur und Drehbuchautor kam es vor allem darauf an, zum Vorgänger »Willkommen im Hotel Mama« aus dem Jahr 2016 eine Fortsetzung zu drehen.
Jacqueline (Josiane Balasko) will endlich mit ihrem Nachbarn und Partner Jean (Didier Flamand) zusammenziehen. Dafür muss die Wohnung renoviert werden, wobei die herrische Jacqueline Jean keinerlei Mitsprache einräumt. Das Projekt scheitert, und Jacqueline steht mit ihrem Rollköfferchen bei Tochter Carole (Mathilde Seigner) vor der Tür. Die hat ganz andere Sorgen: Eine Präsentation muss in wenigen Tagen fertig sein, und dann ist da noch die Paartherapie mit ihrem etwas schluffigen Mann Alain (Jérôme Commandeur). Jacquelines Sohn Nicolas (Philippe Lefebvre) ist gerade von seiner Frau rausgeschmissen worden und grundsätzlich vor allem mit sich und seinen Liebschaften beschäftigt. Und Lieblingstochter Stéphanie (Alexandra Lamy) hat inzwischen einen Job in Brasilien – zum Stolz ihrer Mutter. Es kommt, wie es kommen muss: Auf das kleine Boardcase folgen zwei riesige Kofferungetüme, aus den paar Tagen werden Monate, in denen Jacqueline ihrer Tochter mächtig auf die Nerven geht.
Es ist die große Kunst vieler französischen Komödien, die Balance zwischen Klamauk und kluger Unterhaltung zu schaffen, oft mit einem sozialkritischen Ansatz. Der war im »Willkommen im Hotel Mama« zumindest angedeutet. Dass eine 40-Jährige nach einem Jobverlust plötzlich vor dem wirtschaftlichen Nichts steht, war dabei nicht das einzige Thema. Lavaine spielte auch auf Alzheimer ebenso wie Sex und Liebe im Alter an. Wirklich in die Tiefe ging er aber schon da nicht. Die fehlt in »Mamma Ante Portas« leider gänzlich. Stattdessen setzt Lavaine ganz auf Klamauk und Klischees: Jacqueline räumt Caroles Haus nach ihren Vorstellungen um, lässt für ihre Lieblingsserie alles stehen und liegen und kommt natürlich nicht mit dem modernen Fernsehgerät zurecht. Sie torpediert nicht nur romantische Abende von Carole und Alain, sondern auch ein Wochenende in Rom. Zwischen ihr und Carole kommt es zu lautstarken Streitigkeiten, die jedoch ohne jede emotionale Konsequenz bleiben. Dass Großmutter Mamoune (Line Renaud) auftaucht und ihrerseits ihre Tochter maßregelt, ist ein hübsches Bonmot.
Am Ende steht die Erkenntnis, dass es bei aller Liebe, egal ob in der Partnerschaft oder in der Familie, auch Distanz braucht. Friede, Freude, Eierkuchen.
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