Sky: »After Yang«
Mika erzählt ihrem großen Bruder Yang, dass die Kinder in der Schule sie nach ihren »richtigen« Eltern gefragt hätten. Worauf Yang sie in einen Garten führt und ihr zeigt, wie das Pfropfen bei Bäumen funktioniert, also die Veredelung von Gehölzen durch das Aufstecken eines Zweiges einer anderen Sorte. Anfangs sähe man noch den Verband, sagt er, doch beides wachse zusammen weiter. Bei Yang selbst trifft dies nicht zu, er geht eines Tages einfach so kaputt. Er ist ein »Technosapiens«, ein Androide, von Mikas Adoptiveltern angeschafft, um ihr die Kultur ihrer asiatischen Herkunft nahezu bringen. Hätten sie ihn nur nicht secondhand erworben!
Die Garantie ist längst abgelaufen. Vater Jake bringt ihn zu einem dubiosen Bastler in einem Reparaturshop, sucht aber schließlich Rat in einem Technikmuseum. Mika leidet inzwischen sehr unter der Abwesenheit ihres geliebten Bruders. Doch auch die Eltern, besonders Jake, erinnern sich mit Wehmut an ihren Fake-Sohn.
Es ist erstaunlich, mit welch inszenatorischer Eleganz der aus Südkorea stammende Regisseur Kogonada aktuelle Themen wie Transhumanismus, künstliche Intelligenz und Identität verknüpft. Sein auf einer Kurzgeschichte von Alexander Weinstein basierendes Sci-Fi-Drama spielt in naher Zukunft. Autos sind selbstfahrend, Handys durch Zoom ersetzt, die herkömmlichen Rollen der Ehepartner vertauscht. Kyra ist in einem anspruchsvollen Bürojob meist außer Haus. Jake versucht eher erfolglos, sein Steckenpferd Tee in einer Boutique zu Geld zu machen, ist aber vorrangig unzufriedener Hausmann. Die Familie lebt in einem sogenannten »Eichler-Haus« im Mid-Century-Retrostil. Mit seinem Innenhof und japanisch anmutenden minimalistischem Interieur in gedeckten Farben, ist es ausgesucht geschmackvoll, ein Architektentraum. Auch die »farbenblinde« Besetzung mit Jodie Turner-Smith – kahlrasiert und von statuesker ebenholzfarbener Schönheit, in dezente Leinentuniken gewandet –, den beiden asiatisch aussehenden Kindern und Colin Farrell als Vater erinnert an die Bilder eines ambitionierten Ikea-Katalogs.
Anders als Kyra, die im Duktus einer Kindergärtnerin mit ihrem Mann spricht, erweckt Farrell den Eindruck eines sich nur mühsam zusammenreißenden Unruhestifters. Mit der Entdeckung eines Erinnerungsspeichers in Yangs Brust entwickelt sich die Big-Brother-Fantasie statt in eine dramatische in eine meditative Richtung, implodiert in elegischen Flashbacks, die Yang und »seine« Familie in einen metaphysischen Zusammenhang stellen.
Kogonada, der auch Filmkritiker ist, bringt also eine Menge Subtext in diesem intimen Drama unter. Vielleicht hat er auch die sich einschleichende Verstörung über seine weihevoll ausgeleuchtete schöne neue Welt eingepreist. Die steril und sediert wirkende Designerfamilie ist ein Alptraum, mehr »Black Mirror« als Verheißung: im Grunde ein Plädoyer für das Krumme und Lebendige, jene unperfekte Form, wie sie Jakes handgetöpferte Teeschalen aufweisen.
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