Verschlankung

Man darf getrost bedauern, dass Hollywoodfilme heute weitestgehend auf Vorspanne verzichten. Sie begeben sich damit einer ihrer schönsten Gestaltungsmöglichkeiten. Aber während dem vermeintlich ungeduldigen Publikum nicht zuzumuten ist, die Namen der beteiligten Künstler zu erfahren, sollen sie doch Kenntnis erlangen, wer den Film produziert hat.

Diesen credit lassen sich die Produktionsfirmen nicht nehmen. Damit bekräftigen sie nicht nur ihren Besitzanspruch an dem Produkt, sondern reklamieren für sich eigentlich auch ein Urheberrecht. Das passt zur amerikanischen Auffassung, während man in anderen Kinematographien (in denen Vorspanne noch nicht abgeschafft wurden) das droit morale der Künstler höher veranschlagt und definiert. Im heutigen Eintrag geht es zwar durchaus um den Kapitalismus, wenngleich nicht unbedingt im globalen Systemvergleich. Aber bleiben wir für einen Moment noch bei Vorspannen. „Candyman“ von Nia DaCosta (und Jordan Peele) hat sogar zwei. Im ersten werden nur die beteiligten Studios genannt; er ist zwar spiegelverkehrt, aber die Logos von zwei der drei Firmen sind so bekannt, dass man sie augenblicklich identifizieren kann. Später folgt dann die eigentliche Creditsequenz, in der die Kreativen dann auch zu ihrem Recht kommen. Der Name der dritten Firma ist nicht vertraut wie der von 20th Century Fox oder MGM. Obwohl sie erst seit zwölf Jahren existiert, kann sie ein eindrucksvolles Portfolio vorweisen: Bron.

Sie nennt sich mal Bron Studios und ich vermute, der etwas klobige Firmenname setzt sich aus den Vornamen des Gründerpaares Brenda und Aaron Gilbert zusammen. Sie führt auch andere Namen, Bron Creative, Bron Media und hat mehrere Divisionen. Der englischsprachige Wikipediaeintrag klärt Sie hinreichend über die Geschichte dieses kanadischen Unternehmens auf. Sein Name fiel mir in unterschiedlichen Zusammenhängen auf; offenkundig geht es agile und spontane Partnerschaften ein. Möglicherweise nahm ich erstmals 2016 von ihm im Abspann zu „Birth of A Nation“ Notiz. Danach tauchte Bron mal hier, mal dort auf. Die Gilberts finanzierten „The Mule“ von Clint Eastwood ebenso wie „The Nightngale“ von Jennifer Kent oder auch „Bombshell“ und „Pieces of a Woman“. Das Firmenlogo änderte sich im Laufe der Jahre mehrmals, bei „Birth of a Nation“ wirkt es noch recht bescheiden und schmal. Heute sind die vier Lettern viel breiter. Schöner geworden ist das Logo damit nicht, nur großspuriger; was den Filmen natürlich keinen Schaden zufügt, wie etwa „Licorice Pizza“ bezeugt. .

In irgendeiner ihrer Produktionen (es fällt mir partout nicht ein, in welcher) taucht auch eine Figur namens Bron auf, was reiner Zufall sein mag oder ein opportunistisches Augenzwinkern. Den größten Hit feierte Bron 2019 mit „Joker“; ein wichtiger Player waren die Kanadier schon vorher, aber jetzt waren sie in ungekannte Blockbuster-Dimensionen vorgestoßen. Dabei hatte der DC-Ableger mit Autorenanspruch „nur“ rund 50 Millionen Dollars gekostet. Schaut man sich die Filmographie von Bron an, gewinnt man den Eindruck, die Gilberts hätten ihr Geld ebenso risikofreudig wie umsichtig investiert. Ein Studiostil hat sich dabei nicht herauskristallisiert, warum auch?, aber gewisse Affinitäten sind unverkennbar. Beispielsweise taucht das Firmenlogo in einigen Hauptwerken des neuen Black American Cinema auf, neben „Birth of a Nation“ etwa in „Fences“, „Queen & Slim“ sowie „Judas and the Black Messiah“ oder eben „Candyman“.

In „Indiewire“ war vor einigen Tagen zu lesen, dass die Firmenpolitik künftig andere Richtungen einschlagen wird. Damit gehen Entlassungen und Umstrukturierungen einher. Auch das Geschäftsmodell von Bron hat mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen, namentlich „House of Gucci“ war ein herber Misserfolg. Unter anderem wollen die Kanadier sich stärker auf den Animationssektor und auf Games spezialisieren. Anderswo soll im Gegenzug kräftig gespart werden. Budgets wie das von „Joker“ soll es fortan nicht mehr geben, die Obergrenze könnte nun bei 25 Millionen Dollars liegen. Eric Kohn von „Indiewire“ mag darin keine Tragödie sehen. Und in der Tat hat Bron immer schon mit solchen Margen gewirtschaftet, erfolgreich, um nicht zu sagen: kreativ. Dank der massiven Verwerfungen im Filmgeschäft spielen Produktionen mit Budgets um die zehn Millionen Dollar heute eine andere Rolle als noch vor ein paar Jahren. Der globale Kinomarkt und das Heim- Entertainment haben sich in einer Weise verändert, die andere Kalkulationen erfordert, aber auch zulässt. Dazu muss man natürlich begreifen, dass zehn Millionen genügen können. Denzel Washingtons Regiearbeit „Fences“ hat wahrscheinlich so viel gekostet, wie der Schauspieler üblicherweise als Gage verlangen kann; wenn nicht gar weniger. Man sieht, das ist alles eine Frage der Beweglichkeit. Auch wenn ich kein dankbarer Kunde für Games bin und immer weniger Animationsfilme sehe, die mich begeistern, bin ich auf die zukünftigen Aktivitäten von Bron gespannt. Vielleicht wird das Firmenlogo ja auch wieder dezenter.

 

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