Netflix: »Die Kaiserin«
© Netflix/Julia Terjung
Sie raucht. Sie liest Goethes »Werther«. Und ein wenig »trans« gibt es auch: Filmische Bilder der quirligen österreichischen Monarchin sind ja eigentlich untrennbar von der 50er-Jahre Trilogie mit Romy Schneider. Eine aufwendige Netflix-Serie versucht Sissis Geschichte nun für ein Publikum des 21. Jahrhunderts neu zu erzählen. Aus diesem Grund hat die Showrunnerin Katharina Eyssen die Szenerie um die Bilderbuch-Kaiserin mit einer ordentlichen Dosis Realismus geerdet.
Als Sissi nach Wien kommt, steht der junge Kaiser Franz vor einer kniffligen diplomatischen Aufgabe. Eine Positionierung im aufziehenden Krieg zwischen Frankreich und Russland soll tunlichst vermieden werden. Das Geld, das bei einem militärischen Ernstfall in die Rüstung flösse, will der weitblickende Monarch lieber in den Ausbau der Infrastruktur investieren. Beim hungernden Volk sind diese progressiven Ideen noch nicht angekommen. Ausgerechnet Sissis engste Vertraute ist Komplizin eines Attentäters, der »im Namen des Volkes« die Ermordung des Kaisers plant. Ungemach droht vor allem vom unzufriedenen Zweitgeborenen, Erzherzog Maximilian. Der sich selbst überschätzende Wirrkopf will die politische Krisensituation nutzen, um den Thron zu usurpieren. Außerdem hat er ein Auge auf Sissi geworfen.
Inmitten dieser Ränkespiele sucht die junge Kaiserin ihren Platz. Als ihr ein Arzt und ein Pfaffe coram publico unter den Rock schauen, um ihre Jungfräulichkeit zu überprüfen, wird rasch klar: Sie ist nichts weiter als eine Gebärmaschine. Sie soll jenen ersehnten Nachkommen zur Welt bringen, der die Dynastie erhält. Eine Fülle minutiöser Beobachtungen enthüllen unterdessen die komplexe Mechanik monarchistischer Prachtentfaltung. Im Detail gezeigt wird etwa, wie eine Kaiserin sich die Zähne nicht selbst putzt. Und wie viel Aufwand und Geschicklichkeit überhaupt notwendig sind, um die repräsentativen Gewänder anzulegen.
Diese Entzauberung ist eingebettet in eine Reihe magischer Momente, in denen die Serie Bilder wie aus einem durchblätterten Märchenbuch zeigt. Etwa wenn Sissi in einer aus Gold und Glas bestehenden Kutsche zur Trauung gebracht wird. Bewegt sie sich mit dem Hofstaat durch die geometrischen Buchsbaumreihen des Barockgartens, so erinnert die burlesk überzeichnete Gefolgschaft an Peter Greenaways »Der Kontrakt des Zeichners«. Obwohl die Ausstattung recht stilsicher erscheint, gibt es aber auch den einen oder anderen unfreiwillig komischen Moment. Spielt Johann Strauss dem Kaiserpaar am Flügel einen Walzer, so sieht seine Frisur aus, als hätte er in eine Steckdose gegriffen.
Die Serie punktet mit atmosphärischen Innenaufnahmen; eher durchschnittlich mutet dagegen die Besetzung an. Neben dem blass bleibenden Philip Froissant als Kaiser Franz setzt Devrim Lingnau als leidgeprüfte Monarchin immerhin darstellerische Akzente. Teilweise geglückt ist der Spagat zwischen traditionellem Kostümfilm und einer modernen Interpretation, in welcher Kaiser Franz schon mal laut »Scheiße« sagt – wenn er alleine ist.
Teaser
Kommentare
3.0
Gute Kritik, aber ein bisschen flach und historisch inkorrekt. Seltsam fand ich Schönbrunn nicht gesehen zu haben und dass die Ösis sicherlich nicht akzentfrei Hochdeutsch (zumindest Bairisch) gesprochen haben.
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