RTL+: »Minx«
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Joyce (Ophelia Lovibond) steht auf der Bühne und hält ihre Dankesrede für den Pulitzerpreis. Sie wird für ein weltveränderndes Magazin geehrt, das sie sich allein in ihrem Kinderzimmer ausgedacht hat. Da war selbst ihre gute Freundin, die Starfeministin Gloria Steinem, baff, wie Joyce stolz erzählt. Aber da ruft eine Männerstimme »Zeig deine Titten!« und Joyce' Tagtraum platzt wie eine Seifenblase.
In Wirklichkeit ist die idealistische junge Frau gerade auf dem Weg zu einem Kongress, um ihre Idee für ein feministisches Magazin »The Matriarchy Awakens« vorzustellen und einen Investor zu finden. Vorher versucht sie noch den Bauarbeiter mit dem sexistischen Spruch wortreich zu einem zivileren Umgangston zu bewegen, natürlich vergeblich. Damit ist schon in den ersten Minuten der Ton der Retrocomedyserie »Minx« gesetzt. Statt eine Frauenillustrierte mit Diät- und Schminktipps will Joyce ein Magazin mit Artikeln über Abtreibung, Gewalt in der Ehe und die Ausbeutung der Arbeitskraft unbezahlter Hausfrauen. Und stößt damit auf komplettes Unverständnis und Desinteresse. Bis sie auf Doug (Jake Johnson) trifft, den halbseidenen Herausgeber von Softpornoheftchen. Ihre einzige Chance, so scheint es, ist, das Konzept anzupassen und mit dem Tittenblatt-Impresario gemeinsame Sache zu machen: das erste Erotikmagazin für Frauen, eine Mischung aus Pin-ups nackter Kerle und seriöser Essays.
»Minx« stürzt sich mit Verve und Vergnügen in diese herrlich ausgestattete Siebziger-Jahre-Halbwelt in Los Angeles, deren Prämisse so ahistorisch wie unwahrscheinlich ist, doch gerade in diesem »Was wäre, wenn« liegt ihr Reiz. Die Serie wagt eine Heldin, die ehrgeizig, versnobt und spießig sein darf und dem freizügig-hedonistischen Umfeld damit gehörig auf die Nerven geht, vor allem aus den Reibereien mit ihrem Widerpart Doug entsteht immer wieder hübsche Situationskomik. Dass das Erotikbusiness hier ziemlich verklärt wird als ausgesprochen divers besetzte Branche: geschenkt.
Im Lauf der ersten Staffel bekommt Joyce Raum, sich zu entwickeln, und es wächst langsam zusammen, was so gar nicht passend erscheint. Sie und die sympathisch bunte Truppe um Doug entpuppen sich auf je eigene Weise als Außenseiter einer Gesellschaft, deren Scheinheiligkeit sie aus unterschiedlichen Perspektiven den Kampf ansagen. Dabei erinnert »Minx« immer wieder an eine andere Retro-Serie, »Physical« auf Apple TV+, in der eine scheinbar pflichtbewusste Hausfrau im San Diego der 1980er Jahre durch Aerobic ein eigenes Business aufbauen will und sich dabei, wie Joyce, nicht nur gegen den Chauvinismus ihrer Zeit behaupten muss, sondern vor allem auch gegen die eigenen Zweifel. Zwei Selfmade-Schwestern im Geiste in sonnig-nostalgischem und ironisch unterfüttertem Setting. Bleibt die Frage, ob die Kämpfe der weiblichen Hauptfiguren im Hier und Heute nicht auf ganz ähnliche Konflikte stoßen würden.
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