Netflix: »Kleo«
© Netflix/Julia Terjung
Mauerfall und Wendezeit – dass sich aus diesen Elementen nicht bloß prestigeträchtige Historiendramen stricken lassen, sondern auch echte Genre-Unterhaltung, hat sich in deutschen Seriengefilden längst herumgesprochen. »Deutschland 83, 86, 89« hat vorgelegt, zuletzt ermittelten Nadja Uhl und Fabian Hinrichs in ZERV – Zeit der Abrechnung im frisch wiedervereinigten Berlin. Und nun setzt Netflix mit »Kleo« in jeder Hinsicht noch eins drauf.
Die Titelheldin (Jella Haase), familiär fest in Staatsstrukturen eingebunden, ist in den letzten Jahren der DDR als Killerin der Stasi unterwegs und so cool und abgebrüht, dass sie schon mal einen abendlichen Abstecher in den Westen macht, um auf der Toilette des Big Eden den vermeintlichen Berlin-Chef des CIA aus dem Weg zu räumen. Warum sie wenig später trotzdem von den eigenen Vordermännern in den Ostknast gesteckt wird, wo sie ihr ungeborenes Baby verliert, versteht sie selbst nicht. Rund drei Jahre später kommt sie frei – der Generalamnestie für politische Gefangene nach dem Fall der Mauer sei Dank – und sinnt auf Antworten und Rache, ist ansonsten aber in Sachen Mordmethoden und Gerissenheit ganz die Alte. Nur noch eine ganze Ecke durchgeknallter.
Das HaRiBo-Autorenteam (also Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad), das bei »Kleo« die kreative Hauptverantwortung übernommen hat, lässt früh erkennen, dass historische Wahrhaftigkeit nicht oberstes Anliegen ist, geschweige denn Glaubwürdigkeit und Bodenhaftung. Ihre Serie will kein Politthriller sein, sondern eine schrille Agentenkomödie, und statt für tatsächliche Spannung interessiert man sich eher für eine knallbunt-coole Optik und augenzwinkernde Action. Wem schon »Deutschland 83, 86, 89« zu frei mit der jüngeren deutschen Geschichte umging, der wird hier erst recht verzweifeln. Spätestens wenn Kleo bei Erich Mielke höchstpersönlich auftaucht.
Nun ist ein gewagter Genre-Spagat eigentlich eine erfrischende Sache, und selbst die Heerschar skurriler Nebenfiguren oder dick aufgetragene Ost-West-Klischees müssen nicht zwingend etwas Schlechtes sein. Wenn die HaRiBos nur mehr von der Lässigkeit ihrer Produktionen »4 Blocks« und »Para – Wir sind King« rübergerettet hätten. Stattdessen ist »Kleo« vor allem die Bemühung anzumerken, mit der Coolness und dem exzentrischen Tonfall der ersten Staffel »Killing Eve« mithalten zu wollen.
Das scheitert leider nicht nur an schwächelnden Dialogen, sondern vor allem an den Figuren. Mit der kuriosen Unberechenbarkeit von Villanelle kann es Jella Haase nie aufnehmen, selbst wenn sie Mortadellascheiben im Nahkampf einsetzt. Und noch mehr lassen die Bücher Dimitrij Schaad im Stich, der als naiv-ambitionierter Wessipolizist Kleo auf der Spur ist, weil er damals am gleichen Abend im Big Eden war. Überhaupt, all die Zufälle, die hier immer wieder herhalten müssen, um die Handlung voranzutreiben! Aber lassen wir das. Die Serie will erkennbar viel, schafft am Ende aber nur wenig.
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