DVD-Tipp: »Notre-Dame in Flammen«
Als am 15. April 2019 kurz nach 18 Uhr in der Kathedrale Notre-Dame im Dachstuhl ein Brand ausbrach, gingen die Fernsehjournalisten noch davon aus, dass Präsident Macron später um 20 Uhr eine der wichtigsten Reden seiner Amtszeit halten würde. Die Gelbwesten hielten Frankreich in Atem. Macron trat erst gegen Mitternacht vor die Kameras. In Jean-Jacques Annauds Dokudrama »Notre-Dame in Flammen« sieht man diesen und andere Ausschnitte aus den Fernsehnachrichten.
Annaud setzt auf dokumentarische und authentische Aufnahmen, gefilmt von Profis und Amateuren, und man fühlt sich als Zuschauer mittendrin. Oft stellt man sich bei diesem Film die Frage: Welche Bilder sind echt und welche gestellt? Das weist auf ein Grundproblem des Films hin. Annaud strebt danach, spektakuläres Kino für die große Leinwand zu machen. Er stilisiert vor allem die Feuerwehrmänner und eine sehr fotogene, hübsche junge Feuerwehrfrau als Alltagshelden. Weil ihm aber keine wirkliche Geschichte für die Fiktion eingefallen ist, wirken die meisten dokumentarischen Aufnahmen des Brandes spektakulärer und eindringlicher als die mit viel Aufwand nachgedrehten Spielfilmszenen. Und weil dem Film nach einer durchaus ansprechenden ersten Hälfte zunehmend die erzählerische Luft ausgeht, setzt Annaud gegen Ende dann auf ein Himmelfahrtskommando, das die totale Einsturzkatastrophe verhindern soll. Parallel dazu singen und beten Passantinnen und Passanten religiöse Lieder und bitten Gott um ein (Lösch-) Wunder. Und so endet ein Katastrophenfilm, der eher Dokudrama ist, dann mit zu viel Pathos und religiösem Kitsch.
VÖ: 28. Juli 2022
Bestellmöglichkeit (DVD/Blu-ray)
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