Kritik zu A World Not Ours
Mahdi Fleifel erzählt in seinem autobiografischen Dokumentarfilm, wie sich seine Sicht auf seine »Heimat«, ein palästinensiches Flüchtlingslager, verändert hat
Manche Konflikte scheinen so unlösbar, dass Einzelne eine individuelle Form des Ausstiegs versuchen: sich dumm stellen, den Narren spielen. Said ist so ein Fall. Er ist ein Onkel von Filmemacher Mahdi Fleifel, der in A World Not Ours das Schicksal seiner palästinensischen Familie skizziert. Fleifels Großvater wurde 1948 aus Palästina vertrieben und kam im Flüchtlingslager Ain el-Helweh im Südlibanon unter. Said ist einer der Verwandten, die nie aus dem Lager herauskamen. Als Jugendlicher verkörperten er und sein Bruder Jamal den palästinensischen Kämpferstolz. Jamal galt gar als »palästinensischer Rambo«, der in ihren bewundernden Augen im Alleingang die alte Heimat hätte befreien können. Dann wurde er erschossen, und sein Bruder Said wurde ein anderer. Einer, der sein karges Leben mit Dosensammeln und Taubenzucht bestreitet und – den Dorfidioten spielt.
Fleifel selbst ist privilegiert, weil seine Eltern einen anderen Weg des Ausstiegs gefunden haben. Noch vor seiner Geburt zogen sie nach Dubai und mit ihm dann weiter nach Dänemark. Die Sommerferien aber verbrachten sie regelmäßig in Ain el-Helweh. Und weil schon sein Vater sich fleißig als Hobbyfilmer betätigte, kann Fleifel in A World Not Ours die Aufnahmen von damals und heute und zwischendrin zu einer Collage zusammensetzen, die einen anderen, weil gewissermaßen schrägen Blick auf den Palästinakonflikt erlaubt. Fleifel erzählt davon, wie gut es ihm als Kind im Lager gefiel, wie aufregend es war, als Jugendlicher dort die Fußballweltmeisterschaft zu erleben, wenn die heimatlosen Palästinenser sich zu Italienern, Brasilianern oder Deutschen erklären. Die Aufnahmen von damals zeigen jubelnde Jungs, die fröhlich mit Waffen herumposieren, als wären es Spielzeuge. Diese Spaßidylle kann er bei seinen Besuchen in den 2000er Jahren nicht mehr wiederfinden, auf einmal fallen ihm nicht nur die Ruinen und der Dreck des Lagers ins Auge, sondern eben auch die prekäre Lage seiner Freunde und Verwandten.
Drei Figuren stellt Fleifel bei seiner Betrachtung in den Vordergrund. Seinen Onkel Said, der den Narren spielt; seinen Großvater, der, mittlerweile 80-jährig und verwitwet, seine Tage auf einem Plastikstuhl in der engen Gasse vor seinem Haus verbringt und dabei Sisyphus gleich die Fußball spielenden Jungs um ihn herum zu vertreiben versucht. Und seinen Jugendfreund Abu Eyad, der für die Fatah arbeitet und über die Jahre zum Zyniker und Weltverächter wird.
Fleifels Erzählung ist bruchstückhaft. Seine eigene Biografie, von der er nur ein paar Fakten einfließen lässt, bildet nur den Hintergrund, vor dem er sein eigentliches Thema entfaltet: einen sehr privaten Blick auf eine hochpolitische Situation. Immer wieder setzt er alte gegen neue Aufnahmen. Man sieht, wie wenig sich verändert hat – rein äußerlich. Und man sieht, welche Verheerung genau diese Nichtveränderung bei den Menschen anrichtet.
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