Kritik zu Tagebuch einer Biene
Kurz, aber ereignisreich: Die Naturdokumentation schildert den Bienenalltag mit narrativem Offkommentar aus Sicht der fliegenden Protagonisten
Dokumentationen über exotische Lebensformen zu Wasser, zu Land oder in der Luft zählen regelmäßig zu den Kassenerfolgen. Man denke an »Nomaden der Lüfte«, »Die Reise der Pinguine« oder zuletzt »Mein Lehrer, der Krake«. Diesem populären Genre widmet sich auch Dennis Wells, der bereits seinen zweiten Film über gelb-schwarz geringelten Insekten realisiert. In seiner vielbeachteten Dokumentation aus dem Jahr 2015 befasste er sich mit der ökologischen Bedeutung des Bienensterbens. Sein neuer Film nimmt die Perspektive einer einzelnen Biene ein, deren kurzes aber ereignisreiches Leben von der Geburt bis hin zur Gründung eines neuen Volkes beobachtet wird.
Der Mensch tritt nur am Rande auf. Einmal ist zu sehen, wie ein Traktor eine Wiese abmäht, auf der eine Honigbiene eigentlich Nektar sammeln wollte. Ein andermal schlägt eine Hand nach jener Biene, die einen Obstkuchen entdeckt hat. Ansonsten bleiben Insekten unter sich. Mit dem Eintauchen in die Welt der Bienen gelingen verblüffende Nahaufnahmen. So gerät die kürzlich geschlüpfte Biene ausgerechnet auf ihrem Jungfernflug in einen heftigen Schauer. Aus der Perspektive des Unterschlupf suchenden Insekts ist ein Regentropfen so groß wie die Biene selbst. Platsch – ein Treffer.
Die junge Biene muss notlanden und kommt vor Einbruch der Dunkelheit nicht mehr rechtzeitig zum Stock zurück. So ein Ausflug kann tödlich enden. Unsere Biene – sie heißt übrigens Bee – hat Glück. Am nächsten Tag kehrt sie wohlbehalten zurück. Auch der Kampf gegen heimtückische Hornissen gelingt, mit vereinten Kräften.
All diese Informationen werden der Biene in den Mund beziehungsweise den Rüssel gelegt, in Form eines tagebuchartigen Monologtextes, den Wells gemeinsam mit der Produzentin Heike Sperling und der Romanautorin Claudia Brendler verfasste. Das Tier erzählt sein eigenes Leben. Es wird anthropomorphisiert. Diese Technik ist im Genre üblich. Sie geht unter anderem auf Walt Disney zurück. Bereits dessen Naturdokumentationen aus der Reihe True-Life Adventures, etwa »Die Robbeninsel« von 1948, erschienen wie sentimentale Animationsfilme – nur eben mit lebenden Tieren.
Das Tagebuch der beiden Protagonisten, einer Winter- und einer Sommerbiene, wird gelesen von Anna Thalbach und ihrer Tochter Nellie. Ihre Stimmen sind gewöhnungsbedürftig. Zudem begrenzt diese narrative Technik die Möglichkeit der Vermittlung relevanter Informationen. Über Kommunikation zwischen den Bienen mittels jenes »Schwänzeltanzes«, für dessen Entdeckung Karl von Frisch den Nobelpreis erhielt, ist nur wenig zu erfahren. Das von Thomas Seeley beschriebene quasidemokratische Abstimmungsverfahren, mit dem eine Bienentraube sich für den optimalen Unterschlupf entscheidet, wird völlig ausgespart.
Die wissenschaftliche Perspektive zählt nicht zu den Stärken dieser unterhaltsamen Naturdokumentation, die allerdings mit ihrer visuellen Gestaltung punktet. Dank einer Reihe spektakulärer Aufnahmen kommt Dennis Wells den fleißigen Bienen auf faszinierende Art nahe.
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