Interview: Detlev Buck über »Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull«
Jannis Niewöhner, Liv Lisa Fries, Detlev Buck, David Kross (v.l.n.r.). © Warner Bros. Pictures / Andreas Büttner
Die Aktualität des Stoffes liegt auf der Hand, gegen Ende gibt es den treffenden Satz »Die Menschen verzeihen alles, wenn man ihnen gefällt«. Das wird ja heute im Netz leichtgemacht, geschönte oder gefälschte Fotos von sich zu posten, auch Unwahrheiten zu verbreiten. War das für Sie der Ausgangspunkt, das Angebot der Bavaria anzunehmen?
Nein, der liegt schon tiefer. Ich habe den Roman noch einmal gelesen und nach der Relevanz gefragt. Natürlich sieht Krull gut aus und hat ein einnehmendes Wesen, aber das genügte mir nicht. Er hat diese Weltneugierde, diese Weltensucht, die ich auch habe. Und gleichzeitig war Thomas Mann die Angst vor Verarmung wichtig, die Krull bei seinem Vater miterlebt hat. Deswegen habe ich auch die arme Welt zum Thema gemacht und dadurch die Entscheidung persönliches Glück oder unabhängige Karriere forciert, zwischen den beiden taumelt er ja hin und her, das ist ein zeitloses Thema. Krull gefällt, der müsste bei Instagramm nichts machen. Die so viel machen und ackern bei Instagramm, die sind gar nicht solche Schnitten.
Nach »Die Vermessung der Welt«, für den er seinen eigenen Roman adaptierte, arbeiten Sie zum zweiten Mal mit Daniel Kehlmann als Drehbuchautor.
Daniel hatte gerade Lust nach »Tyll«, jetzt hat er aber wieder Lust auf Roman. Es hat Spaß gemacht, mit ihm in diese Welt einzutauchen, schon im Gespräch. Wir haben übrigens dazwischen noch ein weiteres Drehbuch geschrieben, das aber noch nicht verfilmt wurde, aus finanziellen Gründen natürlich. Eigentlich sind wir da sehr eng miteinander und haben nicht nur über den Film geredet, das ist ein sehr lebendiger Austausch, schon eine Art von Freundschaft.
Wie Ihre erste Zusammenarbeit ist auch dies ein Kostümfilm. War »Die Vermessung der Welt« dafür eine gute Vorbereitung, oder haben Sie gemerkt, hier ist vieles anders?
»Vermessung« war dadurch, dass es mit 3-D in den Dschungel ging, heftiger. Hier war es eine Art Hotelfilm, der in Deutschland gedreht wurde (mit Regensburg als Paris), überschaubarer für mich. Und da ich hier auch nicht als Produzent tätig war, stand ich nicht so unter Druckt. »Vermessung« hat natürlich geholfen, weil ich keine Angst hatte vor Kostümen, vielleicht jetzt auch eine leichtere Hand dabei habe.
Gab es mal die Überlegung, die Geschichte in die Gegenwart zu verpflanzen?
Das hat der Produzent Markus Zimmer auf keinen Fall gewollt und für mich war auch wichtig, die Sprache beizubehalten. Auch Daniel war nicht überzeugt davon und so habe ich gesagt, das soll nicht krampfhaft werden – die Themen bleiben ja gleich und was auch schön ist: dass man in einer anderen Zeit schwelgt und nicht immer Parallelen betont. Auch eine menage a trois gibt es immer noch, da habe ich mir »Jules und Jim« angeschaut und mit Liv Lia Fries auch »Die Kameliendame« mit Greta Garbo, ebenfalls eine Dreiecksgeschichte, in der Geld eine Rolle spielt.
Ich bin wahrscheinlich nicht der einzige, der Thomas Manns Roman nicht gelesen hat, aber irgendwann einmal den 1957 gedrehten Film von Kurt Hoffmann mit Horst Buchholz gesehen hat.
Ja, da denkt man sofort an die Musterungsszene.
Genau, deswegen meine Frage: in dem alten Film wird daraus ein Kabinettstückchen, hier ist sie eher lakonisch und knapp ausgefallen. Da wollten Sie Sich bewusst absetzen?
Die ist schon relativ lang, wenn man den Rhythmus des Films anschaut, darf sie nicht länger sein, das würde sonst den Rhythmus sprengen. Ich wollte nicht, dass Krull eine Epilepsie simuliert. Ich habe mir das Hörbuch angehört, das Thomas Mann selber eingesprochen hat. Natürlich lachen die Leute in den Fünfzigern, wenn man dem Militär auf der Nase rumtanzt, weil es die vorgetäuschte Epilepsie nicht erkennt. Das hatte damals etwas Befreiendes. Aber heutzutage wissen die Zuschauer ja teilweise nicht mal, was eine Musterung ist. Und wenn ich in der Rolle des Militärarztes auf Krulls zur Schau gestellten Patriotismus und seinen Wunsch zu töten dann sage, »Das ist ein Wahnsinniger, der uns gefährlich werden kann«, dann finde ich das überzeugender als das aus dem alten Film nachzuspielen. Wenn Remakes das genauso machen wie im Vorgänger, finde ich das langweilig. Daran stirbt teilweise auch das Kino, weil sie alles nur immer wiederholen und keine Geschichten mehr erzählen und statt dessen immer nur Remakes machen.
Sie haben erwähnt, dass Sie mit Liv Lia Fries bestimmte Filme angeschaut haben – wie war das bei Jannis Niewöhner und David Kross?
Mit Jannis wollte der Produzent den Film schon vor vielen Jahren machen. Jannis hat die Aura: er kommt in den Raum und alle lieben ihn. Ihm fällt alles zu, seine große Herausforderung hier war die Sprache, daran hat er lange gearbeitet, das war ihm auch wichtig, Er erzählte, dass schon sein Onkel ein großer Thomas-Mann-Fan war, da war es ihm wichtig, dass er da besteht. Und David spielt einen Menschen, der noch nie Zuneigung erlebt hat und der plötzlich süchtig ist nach Liebe. Es ist ein toller Charakter, den er da kreiert - der ja auch so nicht existiert im Roman. Ich kenne Menschen, die etwa von der Familie in das Eliteinternat Salem abgeschoben wurden und von denen man erwartete, dass sie eine standesgemäße Ehe eingehen sollten.
Der Film endet relativ abrupt. Ich habe mich dabei gefragt, ob es im Fernsehen vielleicht eine längere Fassung zu sehen gibt, wie wir es von anderen Filmen, etwa »Der Medicus«, kennen.
Nein, das ist nicht der Fall. Am Ende schließt sich der Kreis, indem er aufbricht in ein neues Abenteuer und einen Brief schreibt: »Ich werde nie wieder derselbe sein«. Der Film wird erwachsen durch die Lebensanalyse von Professur Kuckuck, der weiß, »nur das Vergängliche verdient unsere Empathie.« Die Meisterprüfung besteht Krull dann, wenn der portugiesische König sagt, »Die Kopie ist mir lieber als das Original.« Im Roman landet er am Ende im wogenden Busen von Madame Kuckuck – das konnte ich bei aller Liebe nicht machen.
Es geht im Film in der Figur von Krull ja auch um die Kunst des Müßiggangs und ob man sich das leisten kann angesichts klammer finanzieller Verhältnisse. Bei Ihnen habe ich den gegenteiligen Eindruck, wenn ich mir die Filmografie anschaue, mit gleich zwei Regiearbeiten im Kino 2018 und zahlreichen Auftritten als Darsteller. Eine Woche nach dem Kinostart von »Felix Krull« kommt der Film »Wir können nicht anders« als DVD-Premiere heraus.
Den habe ich vor »Felix Krull« gedreht, sonst wären Fördermittel verfallen. Ich mochte diesen Stoff, weil es zwanzig Jahre nach »Wir können auch anders« eine Bestandsaufnahme ist. Manchmal braucht es ewig, um einen Film anzuschieben. Es ist anstrengender, Filme ins Rollen zu bringen als sie zu drehen. Das ist ein Geschenk, da sollte man sich freuen. Wenn der Ball im Spiel ist, dann spiele ich ihn lieber als dass ich sage, »Nein, das wird mir zu viel.« Wenn man es mit einem Fußballspieler vergleicht, der spielt ja auch lieber als auf der Ersatzbank zu sitzen. »Workaholic« würde ich nicht sagen. Wenn es geht, dann spiele ich das gerne. Beweisen muss ich mir nichts.
Der Film hat mit »Wir können auch anders« nur die Situation des Road Movies gemeinsam?
Nicht nur. Es gibt darin den schönen Satz, »Da Euch das egal ist, was wir hier machen, machen wir, was wir wollen.« Es hat schon den Charakter einer Bestandsaufnahme. Der alte Film war noch leichter, wie schon aus den beiden Titeln ersichtlich.
Bei »Bibi & Tina« drehen Sie gerade den fünften Kinofilm…
Eher aus Sturheit. Amazon, für die ich zuvor daraus eine Serie gemacht hatte, sagte sechs Wochen vor Drehbeginn die zweite Staffel ab. Dabei war das Drehbuch bereits geschrieben, Cast und Locations standen fest. Daraufhin habe ich gesagt, dann mache ich daraus wieder einen Kinofilm, denn die Geschichte von »Einfach anders« (so heißt der neueste Teil) ist mir wichtig. Mir hat Professor Rathsack, der Leiter der Deutschen Film- und Fernsehakademie, als ich dort studierte, mal gesagt »Wissen Sie, Herr Buck, eine Idee zu haben ist eine Sache, aber sie zu Ende zu führen, ist die andere Sache.«
Kommentare
Literaturverfilmung Felix Krull
Detlev Buck sagt, er habe den Roman "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" noch einmal gelesen. Soll das etwa schon alles sein, um einen Roman verfilmen zu können? Literaturverfilmungen sind Kunst am Kunstwerk, da muss mehrmals – am besten zusammen mit einem Co-Reader – rezipiert werden, damit eine wirkliche Neubearbeitung herauskommen kann, anstelle von Verkitschung. Das hat Thomas Mann nicht verdient. Ich empfehle Literaturverfilmern, die tatsächlich einen neuen Blick auf das betreffende Werk werfen wollen, den Besuch einer "Literarischen Praxis" bzw. die Lektüre der Studie dazu unter dem Titel: "Es geschah beim Lesen".
Peter Bowa
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