Außer Konkurrenz
Heute Abend beginnt mit der Vorführung von „The Mauretanian“ auf der Museumsinsel das Summer-Special der Berlinale. Anders als ihr digitaler erster Akt im Winter, bei dem Branche, Presse und Jury die Vorhut bildeten, ist es ganz und gar fürs Publikum gedacht. Wird es ein Festival oder ein Fest werden?
In Berlin ist stets beides erwünscht. Andererseits ist die Unterscheidung nicht ganz unwichtig, denn beinahe wird die Berlinale nun zu einem Festival ohne Wettbewerb. Dieser Drops ist seit dem März gelutscht. Ausnahmsweise wird in diesem Jahr jedoch ein Publikumspreis vergeben. Anstrengen müssen sich die Filme also doch noch. Das Wetter scheint schon mal mitzuspielen. Der „Tagesspiegel“ sagt ein Sommermärchen voraus. Eine ausgemachte Sache ist das noch nicht, sondern eine Wette mit einigen unbekannten Faktoren.
Dieser Tage sprach ich mit einer Kollegin, die sich noch daran erinnern kann, dass die Berlinale in den 1970ern schon mal ein Sommerfestival war. Diesen Jahrgang wird sie auslassen, denn sie mag keine Freilichtkinos. Nein, das Kino muss eine Höhle sein, winkt sie ab. Ich weiß nicht, ob sie das im Sinne Platons verstanden wissen wollte. Aber die professionellen Vorteile liegen auf der Hand: In einem Saal kann man sich besser sammeln, ist der Blick konzentrierter. In diesem Jahr bildet das Sound Design des Großstadtsommers das Hintergrundrauschen. Auch die Witterung spielt herein. Das vertragen manche Filme besser als andere.
Die Open-Air-Berlinale ist eine Herausforderung für die Organisatoren. Aber wer weiß, vielleicht startet sie damit insgeheim schon einen Versuchsballon? Das wäre eine Option, etwa im Hinblick auf ein Wohlfühlfestival. Die Filme werden abends vorgeführt, wenn die Anspannungen des Tages vom Publikum abfallen. Interessant finde ich den Aspekt der Entgrenzung. Einerseits setzt das Festival sein Programm damit rückhaltloser der Stadt aus und nimmt sie zugleich noch stärker in Besitz. Das ist was seit langer Zeit (und die Kosslick-Jahre waren lang) ein Traum der Berlinale. Im Sommer 2021 kreuzen sich viele Sehnsüchte. Möglicherweise wird die Bilanz dieser Entgrenzung so ausfallen, dass sie eine physische und spirituelle Komponente hat. Das Kino, der Wechselbalg von Kunst und Technik, ist eingebunden in die Natur (oder zumindest die Urbanität). Die Leinwand reicht in den Himmel. Keine schlechte Zeit, um nach den Sternen zu greifen.
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