Schleichend

Ab heute dürfen die Kinos in Brandenburg wieder öffnen. Plötzlich diese Nähe! Ich war innerlich noch gar nicht darauf vorbereitet. Erst gestern konnte man aus der Zeitung erfahren, was im Nachbarland fortan möglich sein soll. Als Berliner bleibt mir noch eine Frist, mich zu sammeln. Wie lange wird sie dauern?

Es könnte schnell gehen. Für gestern Abend war die erste Vorführung in einem hiesigen Freilichtkino geplant, die bei diesem Wetter bestimmt stattfand. Heute beginnt ebenfalls der Vorverkauf der Berlinale, deren zweiter Akt ja unter freiem Himmel spielen soll. Die Einschläge kommen näher. Inzwischen erhalte ich längst wieder Einladungen zu regulären Pressevorführungen sowie Ankündigungen für Filmstarts, die in ein, zwei Wochen bevorstehen (und in einigen Fällen sogar zurückreichen zum Ende letzten Monats). Dazu wird um redaktionelle Unterstützung gebeten. Diese wird vonnöten sein, zumal man gar nicht so genau weiß, wo die Filme anlaufen können.

Irgendwie hatte ich mir vorgestellt, die Wiedereröffnung würde als ein Ruck durch das Land gehen. Mit einem Schwung wieder in der Kinozeit! Gewiss, man hat von einigen Landkreisen in Bayern und gar Münchner Vororten gehört, in denen die Filmtheater ihren Betrieb wieder aufnehmen konnten. Angesichts der maximalen Auslastung von 20 Prozent mochte man keinen Kinobesitzer darum beneiden. In Schleswig-Holstein wäre das wohl ebenso möglich gewesen. All das könnte man natürlich überprüfen. Aber es scheint mir der Situation angemessener zu sein, es in der Sphäre des Gerüchts zu belassen. Sie ist noch so vage, unübersichtlich, so föderal kleinteilig.

Verleiher und Kinos stecken mitten in der Bund-Länder-Falle. Fast fühle ich mich veranlasst, Frau Berg nachträglich gegen meine mokanten Äußerungen vom letzten Sonntag in Schutz zu nehmen. Dass Filmtheater ad hoc öffnen können, nützt der Branche nicht. Ihr ist an einer Gesamtstrategie gelegen, damit Filmstarts von Werbung und Berichterstattung flankiert werden können. Dafür war einmal der 1. Juli anvisiert. Die Politik legt ihr eigenes Tempo vor, beflügelt von niedrigen Inzidenzzahlen, gehetzt von hohen Erwartungen und ungebremst von Gedanken an die spezifischen Erfordernisse der Kultur. Die kam bislang immer an letzter Stelle. Und nun soll sie aus dem Stand bereit sein? Das erweckt nicht den Eindruck, man habe sich abgestimmt. Kinos brauchen einen Vorlauf von wenigstens drei Wochen, um ihren Betrieb wieder vernünftig aufnehmen zu können. Ich könnte, wenn ich es recht überlege, von heute auf morgen aus dem Winterschlaf erwachen.

 

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