Netflix: »Shadow and Bone«

»Shadow and Bone: Legenden der Grisha« (Serie, 2021). © David Appleby / Attila Svacsek / Netflix

© David Appleby / Attila Svacsek / Netflix

Viel Dampf

Saints! Man hat's nicht leicht im »Grishaverse«. Denn die Parallelwelt wird durch eine mysteriöse, kaum durchdringliche schwarze Wolkenwand namens »The Fold« in zwei Hälften geteilt.

Sowohl Style (Persianerpelzmützen! Uniformmäntel!) als auch System (Erste Armee! Zweite Armee!) und Namen (Novokribirsk! Starkov!) lassen darüber hinaus keinen Zweifel, wes literarisch abgewandeltes Geisteskind die aus der Feder von Leigh Bardugo stammenden Originalbücher waren, die für die Serie »Shadow and Bone« adaptiert wurden: In jenem geteilten Königreich Ravka, in dem Alina Starkov (Jessie Mei Li) lebt, sind Anleihen an das zaristische Russland deutlich.

Mit einem wichtigen Unterschied: Die Waise Alina und ihr bester Freund (und, klar bei DEM Blick und DEN Schultern, »childhood sweetheart«) Mal Oretsev (Archie Renaux) hatten sich nämlich als Kinder vor dem Testen etwaiger »Grisha«-Fähigkeiten gedrückt. Denn die Stars des »Grishaverse« sind die »Grisha«, Zauber:innen mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Manche beherrschen die Winde, manche die Herzen, manche können Feuer machen, eine (vielleicht sogar die wünschenswerteste...) nennt sich »Tailor« und ist in der Lage, durch Handauflegen Falten und Narben wegzuixen, aus strubbeligen Haaren glänzende Beach-Waves zu machen – sie hat sogar die Hängebrüste der Königin »gerichtet«. Ganz ohne OP.

Als herauskommt, dass Alina zu jenen Auserwählten gehört, sogar die langerwartete »Sun Summoner« ist, die die Sonne heraufbeschwören kann, ist sie darüber nicht erfreut: »Grisha« zu sein bedeutet, die vertraute Vergangenheit hinter sich zu lassen. Und als »Heilige« gesehen zu werden, passt der unwilligen Heldin auch nicht. Ein mächtiger, eleganter, samtschwarz gekleideter Grisha-Kollege namens General Kirigan (Ben Barnes) versucht allerdings, sie mit Männercharme umzustimmen . . .

Alina steht somit, was kein unangenehmes Dilemma und nicht schlecht für die Zielgruppe ist, zwischen zwei heißen Interessierten – der eine will mit ihr auf dem Rappen losgaloppieren, der andere versucht, die platonische Freundschaft zu vertiefen. Nebenbei haben es ein paar sympathische Kleingangster auf Alina abgesehen, es wird gestohlen, geschossen, gelogen, die Welt gerettet und sich per mächtigem Kufenboot durch den »Fold« gekämpft. Geküsst wird auch – unter Einbeziehung sämtlicher Gender und Hautfarben.

»Shadow and Bone« ist eine voluminöse, unterhaltsame, eskapistische Steampunk-Wundertüte. Man muss sich nur hineinfallen lassen, die liebevoll gezeichneten und von begabten britischen Darsteller:innen verkörperten Nebenfiguren umarmen, sich über die bildlich und thematisch aus Fantasy, Gothic Novel, Fin de Siècle und Harry Potter zusammengeklauten Geschichten freuen. Und nicht zu viel Tiefe erwarten: Ja, ein geteiltes, partiell nach Unabhängigkeit strebendes Land könnte man politisch deuten, und ja, die gegenseitige Abneigung der Völker (Grisha, Shu, Fjerden etc.) hat eine gesellschaftliche Dimension. Aber manchmal ist ein Spektakel mit fliegenden Nebelmonstern einfach nur ein Spektakel mit fliegenden Nebelmonstern. Die sind gefährlich genug.

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