Wem gehörte der Berg?
Bis ich mich in der letzten Woche mit Francis Coppolas neuer Schnittfassung von »Der Pate III« beschäftigte, hatte ich mir keine Gedanken über die Beziehung zwischen dem Vatikan und Paramount gemacht. Als der Ausklang der Trilogie 1990 herauskam, imponierte mir allerdings, wie clever das Drehbuch von Coppola und Mario Puzo brandaktuelle Affären wie die Turbulenzen der Vatikanbank und den mysteriösen Tod des 30-Tage-Papstes aufgriff. Aber darüber hinaus sah ich wenig Anlass zu weiteren Nachforschungen.
Als ich jetzt die zwei gar nicht so unterschiedlichen Versionen (die neue trägt einen Trumm von Titel: "Der Pate. Epilog. Der Tod von Michael Corleone" und feiert rührenderweise noch auf Blu-ray ihre Deutschland-Premiere) miteinander verglich, fiel mir auf, dass in beiden Abspannen Charles Bluhdorn gedankt wird, "who inspired it". Über Bluhdorn wusste ich davor schon zwei oder drei Dinge. Ihm gehörte das Konglomerat "Gulf &Western", das Mitte der 1960er Paramount gekauft hatte. Howard Hawks erwähnte gelegentlich in Interviews, dass er mit ihm Golf spielte und demonstrierte damit seine aristokratische Gelassenheit ob der Entwurzelung des Studiosystems. Und schließlich war mir der Satz Bernardo Bertoluccis unvergesslich, der im Gespräch mit Karsten Witte einmal die Probleme schilderte, die er mit dem amerikanischen Co-Produzenten seines marxistischen Epos' »1900« hatte: "Charles Bluhdorn ist kein Freund von roten Fahnen."
Der Wikipedia-Eintrag über den Industriellen ist leidlich aufschlussreich (er stammte aus Österreich, machte mit 30 seine ersten Millionen etc. - kurios ist seine Verbindung zur Dominikanischen Republik, wo dann einige Paramount-Produktionen gedreht wurden). Am Wochenende kaufte ich mir ein neues Buch über das Studio "Paramount - City of Dreams" von Steven Bingen, das auch insofern bemerkenswert ist, weil es die Studiogeschichte tatsächlich von den Sound Stages, den Ateliers, aufrollt) und konsultierte Robert Evans' Memoiren "The Kid stays in the Picture" (Abgerechnet wird zum Schluss). Evans zeichnet ein farbenprächtiges, naturgemäß voreingenommenes Porträt des Moguls, der ihn 1966 als Produktionschef engagierte, obwohl ihn nicht die geringste Erfahrung für diesen Posten qualifizierte. Damals war "the mountain", schreibt Evans, unter den acht Hollywood Majors die Nummer neun, schloss aber binnen weniger Jahre (dank »Rosemary's Baby«, »Love Story« und »Der Pate«) zum Spitzenplatz auf.
In den 1960ern gehörten die meisten Studios schon nicht mehr ihren Gründern, sondern wurden von Außenstehenden erworben. Jack Warner (um an die letzten zwei Einträge anzuknüpfen) verkaufte das Kind, das er und seine Brüder großgezogen hatten, an den Konzern Kinney und verfiel in Depressionen, weil er nun nur noch ein normaler Millionär war. "Gulf & Western" mischten seinerzeit in allen möglichen Branchen mit. (Mel Brooks verulkt sie in »Silent Movie« als "Engulf & Devour", die in der Deutschen Synchronfassung auf den hübschen Namen "Gierschlund und Raffke" getauft werden.) Bluhdorn ließ bei Paramount keinen Stein auf dem anderen. Wie es scheint, vertraute er meistens seinem Instinkt und manchmal seiner rechten Hand Marty Davis. Er setzte auf Außenseiter (Evans' Nachfolger war 1974 Barry Diller, der sich bis dahin nur im Fernsehgeschäft auskannte) und hielt an Coppola als Regisseur des »Paten« fest, obwohl ihm alle Welt von dem bis dato erfolglosen Filmemacher abriet.
Nun müsste man eigentlich erwarten, dass die Mafia ihren gebührenden Platz in der Entstehungsgeschichte des »Paten« einnehmen würde. Die Verbindungen des Mob zur Filmmetropole waren schließlich traditionell eng; Kinney beispielsweise waren mit Parkhäusern reich geworden, die sie während der Prohibition als Alkohollager vermieteten. Bei Paramount ist es etwas komplizierter, als der blutige Pferdekopf im Bett des Studiobosses aus »Der Pate« nahelegt. Evans nennt zwar anfangs Bluhdorns rechte Hand dessen "capo", aber das entspricht eher der Folklore, als dass man es als Enthüllung werten dürfte.
Die Taschen von "Gulf & Western" waren tief, aber nicht unerschöpflich; erst recht nach teuren Flops wie »Paint your Wagon« und »Darling Lili«, die Ende der 60er die Bilanz noch verhagelten. Im Audiokommentar der DVD von »Der Pate III« berichtet von finsteren Typen, die ihm damals auf der Chefetage von Paramount über den Weg liefen und allesamt mit fremdem Akzent sprachen. Sie inspirierten ihn zu der Figur, die Helmut Berger im Film spielt. (Doch, er ist es, obwohl man ihn mit der entsetzlich hohen Stirn erst nicht erkennt.) Michael Corleone entdeckt, dass er es mit Geschäftspartnern zu tun hat, die noch viel verschlagener, rücksichtsloser, mächtiger als die Mafia sind - und denen noch weniger zu trauen ist. So erzählt »Der Pate III« insgeheim, wer den ersten Teil finanzierte: Die Vatikanbank machte Bluhdorn ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte.
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