Kritik zu The Secrets We Keep
Der israelische Regisseur Yuval Adler mischt in seinem neuen Film Elemente des Rachethrillers mit Geschichtsaufklärung über Naziverbrechen und den langen Schatten der von ihnen ausgelösten Traumata
Im adrett-aufgeräumten Bilderbuch-Setting einer US-amerikanischen Kleinstadt der späten fünfziger Jahre, in dem Yuval Adler seinen neuen Film »The Secrets We Keep – Schatten der Vergangenheit« angesiedelt hat, erscheint Noomi Rapace zunächst wie ein Fremdkörper. Die stets etwas unterkühlt wirkende Schwedin, die so häufig auf Actionrollen festgelegt scheint, inmitten dauerlächelnder Kittelschürzen-Hausfrauen und ihrer Auflaufformen – das ist ein ungewohnter Anblick. Doch genau das ist hier natürlich der springende Punkt.
Die von Rapace gespielte Maja Stowe ist tatsächlich fremd in dieser Welt. Sie stammt aus Rumänien, ihren Ehemann Lewis (Chris Messina), Arzt mit eigener Praxis, lernte sie nach Kriegsende bei der Arbeit in einem Krankenhaus in Griechenland kennen. Im Alltag in den USA, zu dem auch Sohnemann Patrick gehört, werden nun Idylle und Assimilation großgeschrieben. Über ihre Vergangenheit weiß Lewis wenig beziehungsweise nicht die ganze Wahrheit, doch dauerhaft unterdrücken lässt sie sich nicht. Vor allem als Maja in dem neu zugezogenen Fabrikarbeiter Thomas (Joel Kinnaman) jenen deutschen Soldaten wiederzuerkennen glaubt, der sie während des Krieges vergewaltigt und ihre Schwester ermordet hat. Die lange unterdrückten Erinnerungen sind plötzlich wieder ganz präsent – und wenig später liegt Thomas bewusstlos in ihrem Kofferraum.
Dass sich die Handlung in »The Secrets We Keep« einigermaßen vorhersehbar entwickelt (und etwa an Ariel Dorfmans 1994 von Roman Polanski verfilmtes Theaterstück »Der Tod und das Mädchen« erinnert), gehört ohne Frage zu den Schwächen dieses Films. Genauso wie die Tatsache, dass nicht alle Details und Figurenmotivationen des von Adler gemeinsam mit Ryan Covington verfassten Drehbuchs wirklich auf ganzer Linie überzeugen. Schwerer allerdings wiegt die Tatsache, dass sich der israelische Regisseur, der schon in seinem letzten Film »Die Agentin« von einer Frau im Identitätszwiespalt erzählte, nicht recht entscheiden kann, ob er lieber einen brutalen Rachethriller in B-Movie-Manier oder doch eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit den Folgen nicht verarbeiteter Traumata auf die Leinwand bringen will.
Dass »The Secrets We Keep« trotz dieser Unausgegorenheit, die natürlich der Geschichte der im Zweiten Weltkrieg verfolgten und ermordeten Roma nicht gerecht werden kann, nicht als völlige Enttäuschung zu werten ist, liegt daran, dass Adler durchaus Momente der Spannung auffährt. Auch die klaustrophobische Stimmung – sowohl im düsteren Keller der Stowes, wo Thomas schließlich landet, als auch in der sonnendurchfluteten Fifties-Biederkeit – fängt er gut ein.
Und nicht zuletzt ist der Film ein willkommenes Vehikel für seine drei Hauptdarsteller. Rapace, schauspielerisch zuletzt oft unterfordert, darf endlich mal wieder ein paar Facetten zeigen, und auch Kinnaman sowie vor allem Messina holen das meiste heraus aus ihren von Zweifel und Zwiespältigkeiten lebenden Figuren.
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