Kritik zu Der letzte Mieter
Sie müssen alle raus: Gregor Erler erzählt vom Prozess der Gentrifizierung im Gewand eines Actionfilms, der aus dem Widerstand gegen Luxussanierung einen Kampf mit Showdown macht
Die Fahrt durch Berlin zeigt eine undurchschaubare Stadt. Sie führt an Baustellen und einer schönen neuen Immobilienwelt vorbei und nimmt harte Kontraste in den Blick. Weder wird der mittellose Flaschensammler übersehen noch das Protestbanner gegen Räumungen von Altmietern. Zu den Letzteren zählt Dietmar (Wolfgang Packhäuser), dessen Wohnung sich in einem »Schandfleck« zwischen teuer kernsanierten Bauten befindet – der ganze Straßenzug gehört inzwischen einer Firma namens Immolux. Ausgerechnet am Tag der Räumung schaut der Klempner Tobias (Matthias Ziesing) bei seinem widerständigen Vater vorbei. Polizisten sind vor Ort, um den finalen Auszug von nur noch vier im Haus lebenden Bewohnern sicherzustellen.
In dem Spielfilm »Der letzte Mieter« von Gregor Erler wird von Beginn an keinerlei Zweifel daran gelassen, wessen Interessen die Exekutive zu schützen hat. Kein Zweifel besteht auch daran, dass die Sympathien der Filmemacher den gegen ihren Willen nun Umzusiedelnden gelten: der dementen Greisin und der aufgeregten Muslima, die von Uniformierten aus dem Haus geleitet werden, freundlich zwar, aber doch bestimmt. Allein der wehrhafte Dietmar bleibt uneinsichtig gegenüber dem seltsamerweise anwesenden Makler (Moritz Heidelbach). Dann verschärft sich der Konflikt unversehens.
Ein gedemütigter Handwerker, sein aalglatter Arbeitgeber (nur zwei Aufträge die Woche und das unter Mindestlohn) und eine Leiche in einer vom Hausbesitzer absichtlich vernachlässigten Wohnung, und an der Tür begehrt eine Polizistin in ihrer letzten Ausbildungswoche (Pegah Ferydoni) Einlass! Die Regie nutzt mögliche Anklänge an Filme wie »Ein Mann sieht rot«, um die Zuschauererwartungen dann immer wieder raffiniert zu täuschen, wenn diese Geschichte von Widerstand und Eskalation, Mieterschikanen, Fördermittelbetrug und Bauskandal, aber auch von Ost-West-Klischees mit etlichen klasse erzählerischen Pointen (Drehbuch: Gregor Erler, Benjamin Karalic) und hochagiler Kamera (Moritz Reinecke) präsentiert wird. Und dabei größter inszenatorischer Effekt aus wohl eher geringen finanziellen Mittel geschlagen wird. In wechselnden Perspektiven verbindet »Der letzte Mieter« das Psychodrama eines sich vom eigenen Opferstatus emanzipierenden Sohnes, auf den der Vater nun wohl stolz wäre, mit einem Action-Thriller, um schließlich in eine Utopie hineinzufinden, die indes im Schlussbild an der Realität gemessen wird.
Nachdem Tobias den Makler und Shirin als Geiseln genommen hat, rückt natürlich das SEK an, und es kann schon fast als Subplot verstanden werden, wie hier allein die galoppierende Leere der polizeilichen Deeskalationsformeln und bauunternehmerischen Selbstentschuldungsphrasen die Wut des Unterprivilegierten in auswegloser Lage befeuert. Einerseits heißt es: „Ich verspreche Ihnen . . .“; andererseits: „Ich mache nur meinen Job.“ Da wird dieser kleine, wuchtige, so knallhart in der Berliner Wirklichkeit verankerte Film dann fast zur Metapher.
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