Soul Food: 10 Komödien für krisenhafte Zeiten

»Hangover« (2009). © Warner Bros. Pictures

»Hangover« (2009). © Warner Bros. Pictures

Seuchenfilme sind durch. In der fortgeschrittenen Covid-Krise braucht der Mensch Trost und Aufmunterung. 10 Komödien, Klassiker und Außenseiter, die unseren Autoren ­geholfen haben

Hangover, USA 2009, Todd Phillips

Die Hotelsuite ist verwüstet, der Bräutigam und das Vintage-Mercedes-Cabrio des Schwiegervaters sind verschwunden, einem der Freunde fehlt ein Schneidezahn, im Badezimmer räkelt sich ein Tiger, durchs Wohnzimmer gackert ein Huhn und im Schrank kräht ein Baby: Allem Anschein nach ist der Junggesellenabschied in Las Vegas schwer aus dem Ruder gelaufen. Mangels Erinnerung müssen die drei Freunde jeden ihrer peinlichen Schritte im Wettlauf gegen den Zeitpunkt der geplanten Hochzeit rückverfolgen, in einer Schnitzeljagd mit Parkzettel in der Jackentasche, Fotobeweis auf dem Handy, Behandlungsakte im Krankenhaus, Eintragung ins Hochzeitsregister und einem sehr ungehaltenen Mike Tyson . . . Klingt nach hanebüchenen Absurditäten. Die werden aber von Regisseur Todd Phillips und seinen begnadeten Darstellern Bradley Cooper, Zach Galifianakis und Ed Helms mit derart entwaffnend lässigem Understatement serviert, dass man auch beim dritten oder vierten Sehen auf der Couch noch ins Kichern kommt. 
Anke Sterneborg

Diebe haben's schwer, Italien 1958, Mario Monicelli

Es gibt italienische Komödien – und es gibt die Commedia all'italiana. Die Schule der volkstümlichen Satire um Entbehrung, List und Würde erreicht mit Mario Monicellis Film 1958 ihren ersten Höhepunkt und verliert zugleich ihre Unschuld: Mittendrin lassen die Drehbuchautoren Age & Scarpelli eine tragende Figur bei einem Verkehrsunfall sterben und demonstrieren, dass in der Komödie alles möglich ist. Eigentlich eine Parodie auf Rififi, aber mit armen Schluckern und Amateuren. (Die professionellen Ganoven indes kennen die Gesetzbücher besser als ihre Anwälte.) Wie es sich für klugen Slapstick gehört, ringen Vittorio Gassman, ­Marcello Mastroianni & Co. vor allem mit der Tücke des Subjekts; die Küchenszene am Schluss ist ein Kabinettstück der Gelassenheit. Übrigens ein Lieblingsfilm von Jacques Tati, dem schelmischen Verwerter des Menschlichen. In der Tat, auch mir passiert es immer wieder, dass ich nicht über, sondern mit der Dummheit lache.
Gerhard Midding

Galaxy Quest – Planlos durchs ­Weltall, USA 1999, Dean Parisot

In höchster Not wendet sich eine Abordnung der Thermianer von Klaatu-Nebula an die vermeintlich heldenhafte Crew des vermeintlichen Raumschiffs NSEA Protector, weil Erstere die Übertragung einer irdischen Science-Fiction-Fernsehserie, in der Letztere agieren, als »historische Dokumente« missverstanden haben. Mir nichts dir nichts finden sich nun also abgehalfterte, drittklassige Schauspieler, die ihr Auskommen auf nerdigen Fan-Conventions mit dem Unterschreiben von Autogrammkarten haben, in einem veritablen Sternenkrieg wieder. Schon das Manövrieren des von den gutgläubigen Thermianern nachgebauten Raumschiffs aus dem Dock missglückt der Knallchargentruppe zur peinlichen Schrammfahrt, und auch im Weiteren geraten das realitätsgebundene So-tun-als-ob und die fantastischen Fakten des öfteren an- und durcheinander. Mit hochkomischem Effekt lässt Dean Parisot in »Galaxy Quest« das Star Trek-Universum auf eine futuristische Realität knallen und zunächst hoffnungslos überforderte Serien-Hilfsmimen in der Konfrontation mit Genre-Topoi und Aliens aller Couleur zu ganz großer Form auflaufen. Tage später noch verrutscht einem beim Erinnern eines der zahllosen Mega-Meta-Gags, die diesen Film pflastern, die Mund-Nase-Maske.
Alexandra Seitz

Leoparden küsst man nichtUSA 1938, Howard Hawks

Er ist ein Paläontologe, der nach jahrelanger Tüftelei sein Lebenswerk, die Rekonstruktion eines Brontosaurus, durch das Einfügen des letzten, gerade entdeckten Knochens krönen will. Sie ist eine Societylady, die sich in den perplexen Forscher verliebt und eine Kettenreaktion von Missgeschicken in Gang setzt. Von zeitgenössischen Kritikern wurde Howard Hawks' legendäre Screwballkomödie noch als zu absurd verworfen. Unter anderem kommen zwei Leoparden vor, von denen nur einer durch den Song »I Can't Give You Anything but Love, Baby« gezähmt werden kann. Und während man der draufgängerischen Katharine Hepburn als Mutter aller Katastrophen jede Schandtat zutraut, ist Cary Grant, besonders nachdem ihm die Brille abhanden gekommen ist, viel zu sexy für einen linkischen Nerd. Der anarchischen Energie dieses Meisterwerks, dessen Verrücktheiten, Schnellfeuerdialoge und aberwitzige Situationen in einem Supergau als Happy End gipfeln, kann man sich schlechterdings nicht entziehen. 
Birgit Roschy

Verrückt nach Mary, USA 1998, Peter und Bobby Farrelly

Wenn man seit Wochen zu Hause sitzt, passen im Grunde alle frühen Meisterstücke der Farrelly-Brüder als Ablenkung, schon weil es sich bei »Dumm und Dümmer«, »Kingpin« und »Verrückt nach Mary« um Roadmovies handelt. Vor allem aber gewinnt der einst so verpönte Humor der Farrellys in der Isolation eine ungeahnt befreiende Kraft. In Dumm und Dümmer ist das Anarchische, der Harpo-Marx-hafte Wille zum Wahnsinn zwar ausgeprägter, was angesichts der alltäglichen Selbstbeschränkungen ein umso willkommeneres Ventil darstellt. Dafür bringt »Verrückt nach Mary« neben diesen Qualitäten eine romantische Warmherzigkeit mit, die man in Zeiten des social distancing gut gebrauchen kann: Der Film ist eine Lektion in Sachen Inklusion, egal ob es um Behinderungen, Gesichtsentstellungen, Fetische oder Charakterschwächen geht – niemand wird verurteilt, für jeden ist in diesem Universum Platz. Sogar den größten Fiesling treibt am Ende nur die Sehnsucht nach Nähe. Und wenngleich »Verrückt nach Mary« im Kern eine moderne Screwballcomedy ist, zieht der Film die besten Gags aus seinem Bekenntnis zur Körperlichkeit: Während wir uns vor Tröpfcheninfektionen fürchten, wird da unbekümmert mit Sperma hantiert, und sogar das zottelige Schoßhündchen bekommt einen innigen Zungenkuss. Erlaubt ist, was gefällt. Was von manchen einst leichtfertig als »Fäkalhumor« abgetan wurde, erweist sich heute als eine Komik, deren Spiel mit Tabubrüchen etwas zutiefst Humanistisches hat. Brüllend komisch war es schon immer.
Kai Mihm 

Mimino, Sowjetunion 1977, Giorgi Danelia

Es beginnt mit einem Flug über den georgischen Kaukasus. Schroffe Berge, Dörfer mit uralten Kirchen und steile Wiesen ziehen unter dem Blick der Kamera vorbei, es ist zum Fernwehkriegen. Tatsächlich handelt der Film von Fernweh – die Titelfigur »Mimino«, ein georgischer Pilot, will eines Tages die »Kleinfliegerei« in den heimischen Bergen aufgeben zugunsten der »großen Aviation«. Eigentlich will er damit eine Frau beeindrucken, aber in Moskau, wohin er zur Bewerbung bei Aeroflot fährt, führen ihn turbulente Abenteuer stattdessen mit einem Armenier zusammen. Sowjetische Völkerfreundschaft! In der vorletzten Szene, Mimino ist nun Aeroflotpilot, versucht er eben diesen Armenier aus dem West-Berliner Europa-Center (Ku-Damm, Flughafen Tegel – alles an Originalschauplätzen gedreht!) anzurufen. Ein Missverständnis führt dazu, dass das Telefon statt im georgischen Telawi im israelischen Tel Aviv klingelt (Verwechslung ist das wahre Thema dieser Komödie, die damit satirisch die im Sozialismus tabuisierte Individualität thematisiert). Dort meldet sich ein georgischer Immigrant, der seinen unverhofften Gesprächspartner zum Anstimmen eines Lieds anstiftet und darüber einen akuten Anfall von Heimweh erleidet. Es ist zum Steinerweichen. Für die Premiere bei den Moskauer Filmfestspielen musste Regisseur Danelia die Szene herausschneiden, den Preis bekam er trotzdem.
Barbara Schweizerhof

Und täglich grüßt das Murmeltier, USA 1993, Harold Ramis

Mitte der Neunziger, Filmcasino Dortmund. Als meine Mutter mich als 6-Jährigen mit in »Und Täglich grüßt das Murmeltier« nehmen wollte, wies uns die Kassiererin ab: Der Film sei, obschon ab 6 freigegeben, noch nichts für Kinder, es käme außerdem »auch gar kein Murmeltier darin vor« – eine haarsträubende Unwahrheit. Vielleicht als Kompensation dieser Schmähung schaue ich den Film seit langem fast jedes Jahr. Auf VHS, dann auf DVD und Netflix hat mich Bill Murray als zynischer Wetterreporter Phil über die Jahre begleitet. Diese stetige Wiederholung ist in der Handlung des Films gespiegelt: Immer und immer wieder erlebt Phil denselben Tag, den »Murmeltiertag«, in einer verschlafenen Kleinstadt, wird von Sonny & Chers »I Got You Babe« geweckt und tritt in eine eisige Pfütze. Am Ende durchbricht er den Kreislauf, weil er seine Selbstzentriertheit an den Nagel hängt und die verhasste Kleinstadt lieben lernt. Kein anderer Film ruft für mich diese Mischung aus Gemütlichkeit und Hoffnung hervor – und hat zudem noch ein Murmeltier zu bieten.
Tim Lindemann

Der Superfighter, Hongkong 1983, ­Jackie Chan

Hongkong im 19. Jahrhundert. Piraten machen Meer und Häfen unsicher. Dragon Ma, ein Offizier der Küstenwache . . . Egal. Die Freibeuter, die Navyuniformen und ein Haufen lokaler Mafiosi geben dem Jackie-Chan-Klassiker, der auch als »Project A« bekannt ist und als zentrales set piece eine hinreißende Fahrradverfolgungsjagd im Gassen-Gewirr der Stadt enthält, ein schönes Kolorit. Aber das Vergnügen liegt darin, wie Chan diese Kulisse bespielt: Anders als die Slapstickstars, die zu seinen Vorbildern gehören – eine Szene zitiert Harold Lloyd –, liegt Chan nicht mit den Dingen im Krieg, sondern er schmiegt sich ihnen an, als gebe es da einen geheimen Flow, eine Chakraverbindung, Zen, irgendwas in der Art. Das macht seine Kung-fu-Comedy so elegant, liebenswürdig und hoffnungsvoll: Es steckt die Idee dahinter, dass man die Welt nicht zertrümmern muss, um darin zurechtzukommen. Steile These? Man kann Jackie Chan nicht ­ansehen und schlechte Laune haben.
Sabine Horst

Top Secret!, USA 1984, David Zucker/Jim Abrahams/Jerry Zucker

Die letzten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts gehörten den Parodien. Das zeigt auch die Macht der Bilder und der Genres, an denen sich die Filmemacher abarbeiteten. Mel Brooks, der Pionier, veräppelte den Stummfilm, den Western, Alfred Hitchcock und ziemlich früh schon, in »Space Balls« (1987), die »Star Wars«-Saga. Liebte Mel Brooks den klassischen Sketch, so verströmen die Filme des Trios Zucker/Abrahams/Zucker eher den Hauch eines Studentenulks. Subtiler Humor ist da eher Mangelware. Vielleicht ist »Top Secret!« von Z/A/Z im Vergleich mit der »Nackten Kanone« oder auch »Airplane!« eher ein Nebenwerk, aber die Abenteuer des Rock'n'Roll- Sängers Nick Rivers in der DDR sind voll mit Bildwitzen über cineastische Gepflogenheiten – ein großes Telefon im Vordergrund bleibt auch groß – und Genrestandards. Und jedes Klischee über die DDR wird an den Haaren herbeigezogen. »Top Secret!« entstand 1984. Sieht man den Film wieder, bedeutet das auch ein wohliges Abtauchen in eine Zeit, als die politische Weltlage noch eindeutig war, bis der Fall des Eisernen Vorhangs die Sicherheit klarer Feindbilder ­erschütterte.
Rudolf Worschech

Being John Malkovich, USA 1999, Spike Jonze

Es ist selten, dass der Drehbuchautor den Ausschlag gibt bei der Wahl eines Films. Charlie Kaufman ist so einer. Seine Zusammenarbeit mit Spike Jonze, Michel Gondry oder George Clooney hat humoristische Filme hervorgebracht, die ihresgleichen suchen. Hier ist das Absurde mit dem Melancholischen zu einem Akt des Widerstands gegen Gängiges verschmolzen, und man fühlt sich hinterher vollständig verwandelt. Sein erster Film war »Being John Malkovich«, den viele qua Plakat für eine Biografie hielten. Dabei ist diese Reise in den Kopf des Schauspielers nur ein weiterer Trick, um das Puppentheater, das die Filmindustrie immer auch ist, zu entlarven. Denn was der erfolglose Puppenspieler Craig Schwartz (John Cusack) erlebt, als er bei einer Firma im Stockwerk 7½ eines New Yorker Bürogebäudes anheuert, ist eine Tour de Force in die Welt der Unmöglichkeiten. Und dass dann aus dem absurden Trip, bei dem man für 15 Minuten alles aus der Perspektive John Malkovichs wahrnimmt, eine Geschäftsidee wird, ist nur folgerichtig. Nach dieser Rutschfahrt landet man übrigens neben dem New Jersey Turnpike im Niemandsland – analog zur ungastlichen Wirklichkeit, in der wir Zuschauer uns gerade befinden.
Ulrich Sonnenschein

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