Streaming-Tipp: »After Life« Staffel 2
»After Life« (Staffel 2, 2020). © Netflix
Wie findet man Trost nach dem Tod eines geliebten Menschen, wenn man nicht an ein Leben danach glaubt? Wenn nur das Hier und Jetzt zählt, ohne Option eines Wiedersehens? Tony Johnson (Ricky Gervais) versucht es, nachdem seine Frau Lisa den Kampf gegen Krebs verloren hat, mit alten Homevideos, von ihrer Hochzeit, von glücklicheren Tagen, aber auch Aufnahmen während der Chemo vom Krankenbett. Gerade so, als ob er sie damit dem Tode entreißen könnte, zumindest hier und jetzt. Aber was ist morgen? Übermorgen? Und danach? Ein Leben ohne Lisa erscheint ihm sinnlos, in seiner Trauer erwägt er, seinem eigenen Dasein ein Ende zu setzen. Doch statt Suizid hat er schließlich eine bessere Idee: Er wird die gesamte Welt für den Tod seiner Frau bestrafen, indem er immer und überall tut und jedem ins Gesicht sagt, was er will, ohne Rücksicht. Der Plan geht nur leider nicht so ganz auf, weil jeder in seinem Umfeld versucht, aus ihm einen besseren Menschen zu machen. Die Hölle, das sind die anderen, sagt Sartre in »Geschlossene Gesellschaft«, in dem sich die Menschen gegenseitig ausgeliefert sind. Für Tony sind sie es, weil sie es gut mit ihm meinen.
Der britische Komiker Ricky Gervais, bekannt durch Fremdschäm-Sitcoms wie »The Office« und »Extras« und berühmt-berüchtigt durch seine Auftritte als Host der Golden Globes, bei denen er scheinbar komplett skrupellos anwesende Stars und Kollegen vorführt, macht aus dem Trauerkloß Tony den Antihelden einer posttraumatischen Dramedy, die im besten Sinne Witz und Schmerz vereint. Und das ist vielleicht das Schockierendste an »After Life«, dass Gervais noch nie so empathisch wirkte wie hier.
In seiner Freizeit besucht Tony seinen an Alzheimer erkrankten Vater (David Bradley) im Seniorenheim, wo er auch dessen Pflegerin Emma (Ashley Jensen) wiederbegegnet. Im Laufe der ersten Staffel hatte sich eine zarte Annäherung entwickelt, doch Tony hängt zu sehr an seiner Vergangenheit mit Lisa und ist noch nicht offen für ein Miteinander, das über das Hier und Jetzt hinausgeht. Aber Tony wird zugänglicher, auf seine ganz eigene Art, auch in der Redaktion der Lokalzeitung »The Tambury Gazette«, in der er als Reporter arbeitet und fast liebevoll die junge Kollegin Sandy (Mandeep Dhillon) unter seine Fittiche nimmt oder seinem Schwager und Boss Matt (Tom Basden) beisteht, dessen Ehe gerade scheitert. Die Dynamik des Arbeitsplatzes mit seinen Hierarchien, Ritualen und peinlichen Momenten, erinnert immer wieder an Gervais' legendäre Büro-Sitcom »The Office«, verzichtet dabei aber auf deren spöttische Spitzen. Das Serienuniversum indes weitet sich noch mehr über die ganze Kleinstadt aus, wenn Tony und sein tumber Fotograf Lenny (Tony Way) Einwohner aufsuchen, um mit stoischer Ruhe deren abstrusen Geschichten anzuhören.
Denn bei aller Ruppigkeit nach Außen hat Tony ein gutes Herz, sehr wahrscheinlich sogar mehr Mitgefühl und menschliche Wärme als die meisten anderen. Und er weiß es in lichten Momenten auch zu zeigen, wenn er etwa regelmäßig auf der Friedhofsbank an Lisas Grab die ältere Witwe Anne (Penelope Wilton) trifft, die ihn mit weisem, sanften Humor anstupst, den Dingen mit Gelassenheit zu begegnen. Als Drehbuchautor gibt Gervais den zahlreichen Figuren seines Ensembles viel Raum zur Entfaltung, ohne die Entwicklung des Protagonisten zu vernachlässigen. Und tatsächlich ist sein Tony fähig zum Wandel, versucht es zumindest im Krebsgang, entgegen der ihn immer wieder überwältigenden Trauer und Depression. Und das ist am Ende das Tröstliche und, bei allem galligem Humor, Versöhnende an »After Life«: Hier ist ein sarkastischer Schwarzmaler, der womöglich besser gegen Schicksalsschläge und die Unbill des Daseins gewappnet ist und sich als der wahre Menschenfreund erweist.
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