Retrospektive: »The Wedding Night« (1935)
Glaubt man, dass Gary Cooper ein feinfühliger Intellektueller ist, ein Poet der Worte? Man soll es auch gar nicht glauben. Man soll im ersten Drittel von »The Wedding Night« glauben, dass der Schriftsteller Tony Barrett, den Cooper hier gibt, nur so ein eitler Schreiberling ist, dem das Wichtigste im Leben Scotch ist; das Zweitwichtigste Eis. Einer, der keinerlei Gespür hat fürs wirkliche Leben, der oben im Wolkenkuckucksheim seine Romane zusammenkloppt und sich ansonsten fürs mondäne Leben interessiert. Wie auch seine Frau.
Doch die Barretts sind pleite, sie müssen aufs Land, in die alte Farm, in der Tony aufgewachsen ist, dort kostet's wenigstens keine Miete. Doch wie man Feuer im Ofen macht, das ist ein großes Rätsel. Und wie man ohne Geld auskommen soll… – dieses Problem löst sich, als die polnischen Nachbarn ihm ein Stück Land abkaufen wollen. Seinen Film geht Vidor wieder betont heiter an, zeigt die Novaks, wie sie von dem Acker schwärmen und zugleich Argumente sammeln, um den Preis zu drücken, und wie sie dann angesichts eines völlig ratlosen Gary Cooper sich versehentlich mehr und mehr selbst hochhandeln. 5000 Dollar – das Geld ist gut angelegt, will Vater Novak damit doch die Hochzeit seiner Tochter Manja besiegeln. Dabei war der Blick zwischen Manja und Tony bei der ersten Begegnung so intensiv…
Wieder das Thema Ehebruch. Doch anders als in »Cynara« nicht als persönliches Drama, sondern zusätzlich als Drama der gegensätzlichen Kulturen. »Du denkst, du bist ein amerikanisches Mädchen ohne Respekt vor den Eltern? Aber du bist polnisch, du tust das, was ich sage«, poltert Manjas Vater. Da ist sie schon geschehen, die verbotene Liebe zum Nachbarn. Manja schmeißt eigentlich nur den Haushalt für den unfähigen Tony, dessen Frau in die Annehmlichkeiten der Stadt zurückgekehrt ist. Manja belächelt ihn: Sie melkt, pflügt, kümmert sich um die Pferde, nebenbei Kochen und so weiter – und er weiß nichts von dem, was das Leben zusammenhält. Doch dann liest er ihr einige Kapitel seines neuen Romans vor, er hat hier auf dem Land Inspiration gefunden, spiegelt sein eigenes Erleben literarisch-poetisch. Und Manja ist hin und weg, und der Zuschauer erkennt: Das ist kein Stoffel. Das ist tatsächlich ein einfühlsamer Denker und Empfinder, und Vidor hat uns mit der Gary Cooper-Besetzung schön auf die falsche Fährte gefühlt.
Was im Screwball-Sinn beginnt – die Frau fährt mit der Liebeserklärung »I hate you!« weg –, entwickelt sich zum Melodram eines Mannes zwischen zwei Frauen. In den prüden und jede Unmoral zensierenden Hays-Code-Zeiten der 1930er ist es selbstverständlich nicht erlaubt, eine außereheliche Affäre wirklich zu zeigen. Man sieht einmal einen zarten Kuss, aber körperlich durfte damals ja schon zwischen Ehepartnern nichts laufen auf der Leinwand. Doch mir würde gefallen, wenn es tatsächlich so ist, wie es gezeigt wird, nämlich dass der Ehebruch gar nicht vollzogen wird. Dass hier tatsächlich eine Liebe entsteht zwischen Tony und Manja, die über bloßes körperliches Begehren hinausgeht – und die parallel besteht zur Liebe von Tony zu seiner Frau. Die Idee einer tiefen Liebe, transzendiert vom bloß Körperlichen – das erhöht das Drama um Tony Barrett noch.
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