Verlauf gelöscht?
Vielleicht erinnert man sich noch an »Mammuth«, die schräge Komödie von Benoît Delépine und Gustave Kervern, die vor 10 Jahren hier im Wettbewerb lief? Gérard Depardieu reitet da auf einer Münch Mammut durch Frankreich, um Arbeitsbescheinigungen seiner ehemaligen Arbeitgeber für die Rente einzusammeln. Der Film ist voller schräger Begegnungen und absurden Gestalten, aber immer mit großer Sympathie für die Figuren.
In dem neuen Film nun, der sinnigerweise »Verlauf löschen« (Effacer l'historique) heißt, fehlt es genau daran. Das Personal ist einem merkwürdig selbstverschuldeten Präkariat entnommen, das sich selbst noch als Mittelschicht wahrnimmt, aber völlig verschuldet nicht mehr davon profitieren kann. Seriensüchtig die eine, kaufsüchtig die andere, arbeitsscheue Sozialschmarotzer und naive frisch verwitwete Männer, die sich in eine computergenerierte Internetstimme verlieben, eine grantige Uberfahrerin, die nicht versteht, warum sie keiner positiv bewertet – nichts läßt dieser Film aus. Hier werden alle Witze auf Kosten derer gemacht, die sich zum Tragen von Gelbwesten noch zu schade sind, oder bereits darüber hinweg. Die Not ist hier in jedem Fall eigene Dummheit, das Internet der Boden, auf dem sie sich entfaltet. Selbst wenn manche Witz treffen, ein Hacker zum Beispiel, der in einem Windrad sitzt, sich Gott nennt und zugeben muß, dass er in der Cloud, auf die er nicht zugreifen kann, seinen Meister gefunden hat, so ist der Film als Ganzer zu wenig absurd, zu wenig wirklich witzig und als Kritik an der digitalen Durchdringung der Welt zu wenig substantiell.
Schade, dass Benoît Delépine und Gustave Kervern ihren Verlauf gelöscht haben, sie hätten gern noch einmal darauf zurückgreifen können, was einmal war. Denn Filme wie »Der Tag wird kommen« oder »Saint Amour«, die wie »Mammuth« ebenfalls mit den Klischees des schlechten Geschmacks gespielt haben und die Selbstwahrnehmung gekonnt auf die Wirklichkeit prallen ließen, waren im Kern tragikomische Clownereien für Fortgeschrittene. Dieser Film lebt nur noch davon, aus den Klischees Verachtung zu generieren.
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