Interview: Joseph Gordon-Levitt über seine Rolle in »7500«
Joseph Gordon-Levitt und Regisseur Patrick Vollrath. © MMC Studios / Frank W. Hempel
Ein amerikanischer Schauspieler in einer europäischen, in diesem Fall deutsch-österreichischen Produktion, ist keine Selbstverständlichkeit…
Ich hatte eine längere Auszeit vom Schauspielen genommen, als ich Vater wurde. Ich war mir im Klaren darüber, wenn ich wieder einen Job annehmen würde, musste es etwas sein, das für mich etwas Kreatives und Inspirierendes hat. Ich war entsprechend wählerisch. Das Drehbuch von »7500« hat mich sofort gefesselt. Ich habe dann Patrick Vollraths preisgekrönten Kurzfilm »Alles wird gut« gesehen - der war ungemein kraftvoll und ehrlich. Und dann haben wir über die Herangehensweise gesprochen. Für Patrick ist das Drehbuch ein Sprungbrett, das ging aus seinem Kurzfilm hervor. Ich konnte also sicher sein, dass daraus nicht nur ein guter Film werden würde, sondern dass es auch eine kreative Herausforderung sein würde, daran mitzuwirken – mehr als alles, was ich zuvor gemacht hatte. Genau danach hatte ich gesucht.
Wie haben Sie sich auf den Dreh vorbereitet? Haben Sie an einem Simulator trainiert?
Ja, vieles in der Vorbereitung hatte mit technischen Details zu tun. Patrick Vollrath ging es vor allem um den Realismus des Films, dazu gehörte auch, dass alle technischen Details stimmen mussten. Der Darsteller des Flugkapitäns, Carlo Kitzlinger, hatte jahrelang als professioneller Pilot für die Lufthansa gearbeitet. Er war mein Lehrer, er erklärte mir alles und übte mit mir die Checkliste der Routinen, um die sich Piloten kümmern müssen, bevor die Maschine abhebt. Dazu kommt noch die besondere Art und Weise, wie Piloten miteinander kommunizieren, all dieses technische Vokabular.
Sie haben in sehr langen Einstellungen gedreht, teilweise bis zu 40 Minuten, wie Patrick Vollrath erzählte. Ist das für Sie als Schauspieler besser als die üblichen Montagen?
Für mich hat es gut funktioniert und es entspricht dem Stil des Regisseurs sehr gut. Es mag ein wenig übertrieben klingen, aber schauspielerisch war das meine größte Herausforderung. Das hängt mit dieser Kombination aus zugleich brutaler und tragischer Geschichte zusammen, die wir erzählen, und andererseits dem realistischen Dreh, den ich gerade beschrieben habe. Die Kamera vierzig Minuten lang laufen zu lassen und sich dieser Situation einfach auszusetzen – das ist sehr intensiv, ein großer emotionaler Schmerz. Das habe ich so bei anderen Projekten noch nie erlebt.
Wie haben Sie sich so einer Szene genähert? Haben Sie viel geprobt?
Abgesehen von den technischen Sachen, über die ich vorhin sprach, haben wir überhaupt nicht geprobt. Natürlich gab es einige Kampfszenen, die choreographiert werden mussten, damit man sicher war, dass dabei niemand verletzt wurde. Generell ging es eher darum zu wissen, wohin eine Szene führen würde. Wir haben also viel darüber gesprochen, was im Drehbuch stand. Meisten haben wir es dann passieren lassen. Für gewöhnlich fühlt man sich beim Spielen so stark wie möglich in seine Rolle ein, aber man behält ein zusätzliches Bewusstsein über das Handwerk, mit dem man etwas macht: ich weiß, wo die Kamera ist. Ich muss eine Markierung am Boden treffen. Das Licht ist dort, ich muss also aufpassen, dass ich nicht in den Schatten gerate. Ich muss meinen Text können. Ich muss am richtigen Platz stehen. Das alles ist Teil des Filmschauspiels: fähig sein, sich emotional fallen zu lassen und gleichzeitig diese vielen technischen Kleinigkeiten zu beachten. Bei »7500« haben wir das so nicht gemacht - wir wussten, dass wir solange arbeiten mussten wie es nötig war. Dies ist nicht einfach eine Szene, dies passiert einfach.
Wie viele Takes haben Sie von dieser langen Einstellung machen müssen?
Nur wenige.
Gibt es etwas in der Biografie Ihrer Figur, über das nicht gesprochen wird, das aber trotzdem wichtig war für Sie, auch für den Konflikt des Films?
Eine interessante Frage. Wir sprachen darüber, wo er herkommt, warum er die USA verlassen hat, warum er in Berlin lebt, warum er Pilot geworden ist. Es ist aber nicht schlimm, dass diese Dinge im Film nicht ausgesprochen werden, weil sie für die Story nicht so wichtig sind. Es geht darum, dass man ein klares Bewusstsein davon hat, während man spielt.
Der Film kann auf beim Zuschauer vorhandene Ängste aufbauen: vor dem Fliegen, vor Terroristen. Er setzt aber, zumal im Finale, sehr eigene Akzente.
Es wird viel über Angst und Terrorismus gesprochen, und oftmals führte diese verstärkte Wahrnehmung zu einer Vergrößerung der Ängste. Unser Film konfrontiert den Zuschauer direkt mit den Ängsten, indem er etwas vereinfacht, was nicht einfach ist. Es gibt viele Filme über Flugzeugentführungen und Anschläge, und solche Filme sind manchmal simpel gestrickt. Da gibt es den Guten, da gibt es den Bösen. Der Gute muss gegen den Bösen kämpfen und den Tag retten. solche Filme können viel Spaß machen. Was ich aber an »7500« liebe, dass er sehr viel anders ist als diese Filme. Mein Charakter ist zum Beispiel kein Held, Vedat, dargestellt von dem wunderbaren jungen Schauspieler Omid Memar, ist kein typischer Bösewicht. Sie sind Menschen. Das Herz des Films liegt für mich darin, dass das Publikum am Ende des Films Empathie für diese beiden Menschen zeigt und sie nicht mehr in Gut und Böse einteilt, sie nicht mehr als westlich oder mittelöstlich, als christlich oder muslimisch kategorisiert. All diese Kategorien werden unwichtig, sobald man diese Menschen als Individuen sieht. Das macht diesen Film aus. Darum ist es auch eine positive Geschichte, die in einem Kontext der Ängste erzählt wird.
2013 haben Sie bei »Don Jon« nicht nur die Hauptrolle verkörpert, sondern gleichzeitig auch Regie geführt, der Film war auf der Berlinale zu sehen. War das eine Erfahrung, die Sie gerne wiederholen würden? Oder empfanden Sie diese Gleichzeitigkeit eher als Belastung?
Nein, das würde ich gerne wieder machen. Ich habe seitdem mit meiner Firma Hitrecord weitere Filme gedreht. Ich schätze beides: ich liebe die Schauspielerei in Zusammenarbeit mit einem Filmemacher, den ich bei seiner Vision unterstütze. Ich liebe es aber auch, meine eigene Vision zu haben und ein Team anzuführen, das sie dann erfüllt und sie damit zur kollektiven Vision des gesamten Teams macht. Ich fühle mich also sehr glücklich, die Gelegenheit zu haben, beides zu tun. Ich hoffe, dass ich auch zukünftig zweigleisig fahren kann. Übrigens produzierte meine Firma kürzlich eine Dokumentation namens »Band Together with Logic«, auf die ich sehr stolz bin. Es gibt gewisse Überschneidungen mit »7500«, weil es – trotz unterschiedlicher Themen – um Menschen geht, die trotz unterschiedlicher Hintergründe zusammen kommen. In »7500« passiert das in einem tragischen Moment, in »Band Together…« geht es um unterschiedliche Menschen aus aller Welt, die zusammen Musik machen.
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