Kritik zu Land des Honigs

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Eine traditionell lebende Imkerin in Mazedonien sieht ihre Ruhe von einer Nomadenfamilie gestört: Ljubomir Stefanov und Tamara Kotevska inszenieren ihren Dokumentarfilm als stimmungsvollles, bildgewaltiges Drama

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Eine etwa 50-jährige Frau klettert durch eine erhabene, menschenleere Bergwelt. Sie überquert eine Schlucht auf einem schmalen Grat, hangelt sich schließlich über einen felsigen Vorsprung und erreicht ihr Ziel – eine hinter einem losen Fels versteckte Bienenkolonie. Die Imkerin entnimmt mit geübten Handgriffen einen Teil des Honigs und macht sich wieder an den Abstieg in ihr beinahe gänzlich verlassenes Heimatdorf. Die ersten Minuten des mazedonischen Dokumentarfilms »Land des ­Honigs« gehören visuell mit zum Spektakulärsten, was man im Kino in den letzten Jahren gesehen hat. Durch einen effektiven Zusammenschnitt aus Drohnen- und Handkameraaufnahmen gelingt den Regisseuren Tamara Kotevska und Ljubomir Stefanov eine atemberaubende Einführung in die Welt ihrer außergewöhnlichen Protagonistin.

Hatidze ist eine Imkerin, die noch nach althergebrachten Methoden ihrem Handwerk nachgeht: Ohne Hand- und Gesichtsschutz greift sie in die Bienenstöcke, spricht und singt beruhigend mit den Tieren und achtet immer sorgsam darauf, ihnen noch genug Honig übrig zu lassen. Nebenher pflegt sie aufopferungsvoll ihre bettlägerige Mutter und unternimmt Ausflüge auf den Markt von Skopje, wo sie ihren Honig den Händlern anpreist. Es ist ein traditionelles, abgeschottetes Leben, wie es in Europa so wohl kaum noch existiert. Bald aber wird diese stille Routine durchbrochen – zu Hatidzes Unglück, aber zum Glück des Films.

Denn als sich unvermittelt eine chaotische, neunköpfige Nomadenfamilie auf dem Nachbargrundstück niederlässt, ist es mit der Ruhe vorbei: Radiomusik, Motorengebrüll, Kindergeschrei, das Schimpfen der Eltern und das Muhen von über 100 Rindern bricht in die Stille des Tals. Kotevska und Stefanov inszenieren diesen plötzlichen Einfall des Weltlichen mit schnellen Schnitten absolut grandios als drastischen Kon­trast zur anfänglich meditativen Stimmung. Zunächst ist Hatidze gar nicht unzufrieden über den Einzug der neuen Nachbarn: Mit den Kindern versteht sie sich sowieso prächtig und auch mit dem überforderten Elternpaar freundet sie sich an. Zunehmend aber wird deutlich, dass sich ihre Philosophie und die des großspurigen Patriarchen Hussein unvereinbar gegenüberstehen und Husseins aufkeimende Pläne, selbst ins Honiggewerbe einzusteigen, gar Hatidzes Lebensgrundlage bedrohen.

»Land des Honigs« ist nicht nur wegen seiner Bildgewalt eine Ausnahme im aktuellen Dokumentarkino, sondern vor allem auch wegen seiner Machart. Die Regisseure inszenieren ihre Doku beinahe wie einen Spielfilm, als dass die Protagonisten die Anwesenheit des Filmteams hier nie offen zur Kenntnis nehmen; bei einigen emotional intensiven Momenten fragt man sich tatsächlich, wie genau die Aufnahmen wohl vonstattengegangen sind. Den Filmemachern gelingt so jedenfalls ein einzigartiger Einblick in eine im Verschwinden begriffene Lebensweise und eine kluge Reflexion über die untrennbare Verknüpfung einer Landschaft mit ihren menschlichen und tierischen Bewohnern.

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