Kritik zu Ein Licht zwischen den Wolken

© Neue Visionen Filmverleih

2018
Original-Titel: 
Streha mes reve
Filmstart in Deutschland: 
19.09.2019
L: 
84 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Bildgewaltig und voller Poesie erzählt der Albaner Robert Budina von Orten des Glaubens – innerhalb und außerhalb von Gotteshäusern – und von der Fragilität von Gemeinschaften

Bewertung: 4
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Schweigend haben sich die beiden Familien zum Essen an den Tisch gesetzt. Nur das Geklapper des Bestecks ist zu hören, als einer der Jungen seinen Cousin fragt, ob er von dessen Teller probieren darf. Schon nimmt er sich einen Löffel und schiebt ihn sich in den Mund. Er ist Muslim, sein Cousin griechisch-orthodox, und in dem Essen ist Schweinefleisch. »So geht das nicht. Wir können nicht an einem Tisch essen«, keift daraufhin die muslimische Mutter, und die beiden Familien schieben die Tische auseinander – ein Riss mitten durch eine Familie in einem Haus, das sie teilen. Dazwischen, leicht abgerückt, bleibt Besnik (Arben Bajraktaraj) sitzen – ein Außenstehender und Beobachter, der mehr oder anderes sieht als andere. So wie den schwarzen Fleck in der Moschee, der sich als christliche Heiligendarstellung entpuppt. Die ist es, die plötzlich das Dorf, in dem bisher Muslime und Christen friedlich miteinander lebten, spaltet. Ein Dorf im albanischen Hochgebirge, in dem auch Besnik sein ganzes Leben verbracht hat, mit einem kommunistischen Vater, einer katholischen Mutter und einem Bruder, der mit seiner Familie im benachbarten Griechenland zum Christentum konvertiert ist, um der Integration willen.

Was der Dorfgemeinschaft gelingt, scheint innerhalb der Familie unmöglich, denn plötzlich steht in Robert Budinas leisem Drama »Ein Licht zwischen den Wolken« der Streit des Dorfes auch für den tiefen Riss, der durch Besniks Familie geht. Und so wie die Restauratorin das Heiligenbild in der Moschee freiliegt, so werden auch alte Wunden der Familie und des stillen gläubigen Muslims Besnik plötzlich sichtbar. Es ist der Zusammenprall von Tradition und Moderne, von kollektiven und individuellen Interessen, von Ausgrenzung und Zusammenhalt.

Budina erklärt nicht viel in seinem zweiten Spielfilm nach »Agon« (2012). Er beobachtet den sanften Ziegenhirten, der wohl auch bei seinem alten Vater geblieben ist, weil er »psychische Probleme hat«, wie seine Schwester einmal beiläufig erwähnt. Vielleicht auch weil er die Liebe seines Lebens nicht heiraten durfte. Budina lässt Besnik beobachten, der stets auf Distanz bleibt, wie Budina nur allzu deutlich in seinen Bildern zeigt: Wenn sich Besniks Geschwister um das Erbe, die Religion streiten, sieht er dem durch ein Fenster des kargen Hauses zu.

Der Filmemacher reißt viele Themen an, nicht nur den Streit zwischen den Religionen und der Frage nach Toleranz und dem fragilen Zusammenhalt von Gemeinschaften. Er lässt auch das einfache ländliche Leben auf die Moderne treffen, die in Gestalt der Restauratorin auftaucht, von den Dörflern beäugt, und dann auch wieder verschwindet – nicht ohne die Sehnsucht Besniks nach einer Frau wieder an die Oberfläche geholt zu haben. Budina will ein bisschen viel und setzt die karge Berglandschaft Albaniens mit ihren Menschen ein wenig zu plakativ in Szene. Und doch ist dieser Film allemal sehenswert, ist er doch ein Plädoyer für Toleranz in wohltuend ruhigen Bildern und voller Poesie erzählt.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt