Streaming-Tipp: »City on a Hill«
© Showtime/Sky
Wie lässt sich 2019 noch ein Crimedrama mit klassischen Mustern und männlichen Protagonisten erzählen? »City on a Hill« mit Kevin Bacon und Aldis Hodge (»Straight Outta Compton«) in den Hauptrollen und im Boston der frühen Neunziger angesiedelt, verändert ein paar Parameter und hofft so, an aktuelle Diskurse um Rassismus und Gentrifizierung anzudocken. Die Stadt ist darin ein von Kriminalität und weißen Machos regierter Moloch. Schon in der Titelmelodie klingt das kulturelle Erbe der irischstämmigen Mehrheit der Ostküstenmetropole an. Korruption und Diskriminierung sind an der Tagesordnung, auch und vor allem bei jenen, die das Gesetz vollziehen und vermeintlich auf der guten Seite stehen. Einer von ihnen ist FBI-Veteran Jackie Rohr (Bacon), ein zynischer Polizeibeamter, der seine Macht innerhalb der Truppe genießt und zunehmend verbittert wahrnimmt, dass Leute wie der schwarze Staatsanwalt Decourcy Ward (Hodge), der aus Brooklyn neu in die Stadt gekommen ist, Missstände bessern wollen und damit den Status quo gefährden. Nachdem der idealistische Ward erkennt, dass er nur weiterkommt, wenn er die Strukturen zu nutzen versteht, beginnt er mit Rohr zu kooperieren. Sie können sich nicht leiden, erkennen aber gemeinsame Interessen. Ihre Ermittlungen um eine Familienbande, die Geldtransporter überfällt, weitet sich schnell zu einem immer weitere Kreise ziehenden Skandal, der eine Vielzahl von Figuren einschließt.
Es macht Kevin Bacon sichtlich Vergnügen, hier den Fiesling vom Dienst zu spielen und der Plot setzt über weite Strecken auf diese Good Cop/Bad Cop-Dynamik, um ein differenziertes und komplexes Sittengemälde einer Stadt zu zeigen, in der die Grenzen zwischen Recht und Unrecht alles andere als eindeutig sind. »City on a Hill« nimmt sich dafür viel Zeit, etabliert in der ersten Episode die Protagonisten und die Situation im Boston jener Zeit und zeigt, wie Polizei, Justizsystem und Politik die Gesellschaft prägen. Sie fiktionalisiert eine staatliche Initiative von 1996, die sogenannte »Operation Ceasefire«, auch bekannt als »Wunder von Boston«, die Waffengewalt vor allem unter Jugendlichen reduzieren sollte und tatsächlich half, die Mordrate in Boston um erstaunliche 63 Prozent zu senken. »City on a Hill« wäre dabei gerne das neue »The Wire«, David Simons legendäres Serienepos über die vom Drogenhandel geprägte US-Metropole Baltimore, mit dem HBO von 2002 bis 2008 Fernsehgeschichte schrieb, und ein Meilenstein des seriellen Erzählens war. Mehr als eine Dekade nach dessen Ende bringt nun HBO-Konkurrent Showtime »City on a Hill«, das in Deutschland ab 5. August auf Sky in Doppelfolgen ausgestrahlt wird.
Die Serie beruht auf einer Idee von Hollywoodstar Ben Affleck, der neben Matt Damon auch ausführender Produzent ist. Kreiert wurde die Serie von Charlie MacLean, Showrunner und Drehbuchautor ist Tom Fontana (»Homicide«, »Borgia«). Sie sorgen für Lokalkolorit und Detailgenauigkeit, die am Ende mehr überzeugen als die bisweilen zähe Inszenierung.
OV-Trailer
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