Kritik zu Kaviar

© Camino Filmverleih

Ein Oligarch in Österreich – die aberwitzige Idee von Elena Tikhonovas Komödie wurde mittlerweile von der Realität sogar noch überholt

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Die Schwedenbrücke in Wien führt über den Donaukanal, verbindet den Ersten mit dem Zweiten Bezirk und stellt einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt dar. Niemandem käme es in den Sinn, diese Brücke zu bebauen, denn Chaos und Kollaps wären die Folgen. Das aber ficht den russischen Oligarchen Igor in keinster Weise an. Er hat sich in den Kopf gesetzt, dass seine Villa auf der Schwedenbrücke stehen soll und was der Dickschädel sich einbildet, muss die dicke Brieftasche möglich machen. Es müssen nur noch die richtigen Hände gefunden und geschmiert werden, dann klappt das auch mit der Genehmigung.

Dies die einigermaßen abenteuerliche Ausgangsschnapsidee von »Kaviar«, dem Spielfilmdebüt der russisch-österreichischen Filmemacherin Elena Tikhonova, das beim diesjährigen Max-Ophüls-Festival mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde. Und während man noch denkt: »Was für ein Quatsch!«, fällt einem auch schon dieses Video ein, das vor kurzem erst binnen weniger Tage Österreichs Regierung pulverisierte. Es zeigt den Vizekanzler Hans-Christian Strache, wie er auf Ibiza einer vermeintlichen russischen Oligarchin die Alpen der Bananenrepublik vom Himmel herunter verspricht, wenn sie dafür seinem braunen, pardon, blauen FPÖ-Haufen einen schönen Batzen Geld herüberreicht, unauffällig natürlich.

So gesehen ist »Kaviar« ein unheimliches Beispiel dafür, dass die Wirklichkeit immer noch viel grotesker ausfallen kann als ein Film, dessen Drehbuch von Anfang bis Ende Abstruses auf Aberwitziges türmt. Vor dem Hintergrund der Ibiza-Affäre aber lässt sich »Kaviar« nicht nur geradezu seherische Qualität bescheinigen, der Film gewinnt zudem eine politsatirische Schärfe.

Denn was geschieht, als Igor seine Assistentin Nadja damit beauftragt, nach passenden Empfängern für sein Schmiergeld zu suchen? Wie von Schmeißfliegen sieht er sich umschwirrt vom windigen Geschäftemacher Klaus, dessen Kumpel Ferdinand sowie Stadtrat Hans Zech, die allesamt unter vielmaligen Beteuerungen, man sei hier, also in Österreich, schließlich nicht in Russland, die Hände aufhalten. Weil aber nicht schon wieder nur die Männer den Reibach machen sollen, schmiedet auch Nadja an einem Plan, den russischen Geldsegen in die eigenen Taschen umzuleiten. Ein allgemeines gegenseitiges Bescheißen ist die Folge, und das ist durchaus auch wörtlich zu nehmen.

Der derbe Humor von »Kaviar« reicht mitunter zwar ins anstrengend Alberne, vergnüglich aber ist der unbekümmerte Einfallsreichtum allemal, mit dem Tikhonova absurde Zuspitzungen entwirft und nach allen Seiten gleichermaßen austeilt. Für Glanzlichter der Hochkomik sorgt zudem ein entfesselt aufspielender Georg Friedrich in der Rolle des windigen Klaus; wenn je einer »russisch« – was im Wienerischen so viel bedeutet wie: schlampig, provisorisch und gepfuscht – verkörperte, dann er. Die von ihm nach Art eines Potemkinschen Dorfes improvisierte Baustelle auf der Schwedenbrücke kann es bezeugen.

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