Streaming-Tipp: »Fleabag« Staffel 2
»Fleabag« Staffel 2 (2019). © Amazon
Daniel Craig guckt gerne »Fleabag«. Solche Nachrichten muss man erst mal verdauen. Nicht nur, weil es sich bei »Fleabag« um eine »kleine« BBC-Comedy-Serie handelt, sondern weil ihr Inhalt so frauenspezifisch, mithin so ganz und gar nicht James Bond ist. Eine junge Frau stolpert durchs Leben, versucht mit dem Tod ihrer Mutter und dem ihrer besten Freundin fertigzuwerden, läuft unterdessen stets den falschen Männern hinterher und hat eine besondere Begabung zur Schaffung von peinlichen Situationen. Klingt das nach etwas, das den Mann im Dienste ihrer Majestät interessieren sollte? Aber genau so muss man sich das offenbar vorstellen, Daniel Craig in New York zappt sich durchs Streamingangebot, entdeckt zufällig »Fleabag« und ruft dann Autorin Phoebe Waller-Bridge an, um sie zu bitten, doch mal auf das Script für Bond 25 zu schauen; es könnte ein bisschen mehr Scharfsinn und Humor vertragen. Wird also James Bond demnächst in lauter peinliche Situationen geraten?
Wie auch immer es sich zugetragen hat, soviel stimmt: Phoebe Waller-Bridge schreibt am nächsten James Bond mit. Und wer begreifen will, was daran so aufregend ist, kann sich auf Amazon mit »Fleabag« Staffel 2 davon überzeugen, dass Staffel 1 kein Zufallstreffer war. Waller-Bridge hat ein unwahrscheinlich sensibles Gespür für widersprüchliche Gefühle, für unübersichtliche Lebenssituationen und für Dialoge, die weniger durch Wortwitz auffallen als durch das, was alles nicht gesagt wird. Kaum jemand versteht es besser, einen Blick einfach für sich sprechen zu lassen.
Aus letzterem hat Waller-Bridge ihren »signature move«, ihre »typische Kopfbewegung« geprägt: Es ist der direkte Blick in die Kamera. Mit ihm macht Fleabag – was in diesem Kontext mit »Schlampe« zu übersetzen und das selbstverächtliche Pseudonym der von Waller-Bridge gespielten Heldin ist – den Zuschauer zum Verbündeten. Es klingt nach plumper Manipulation, hat es aber in sich. Mit dem Blick in die Kamera scheint sie den Zuschauer auf Zustimmung zu verpflichten, aber interessanterweise passiert oft das Gegenteil: Der Zuschauer begreift, welches Spiel Fleabag tatsächlich spielt, wie oft sie sich emotional entzieht, zur Kommentatorin ihres eigenen Lebens wird – statt teilzunehmen, sich zu öffnen, etwa ihrer Schwester gegenüber (die mit wunderbarer Salzigkeit von Sian Clifford verkörpert wird) .
Eines der vielen tollen Dinge in Staffel 2 ist, dass ein anderer diesen Blick in die Kamera bemerkt. Und damit auch noch den Rest von Selbstgefälligkeit, der mit dieser »signature move« verbunden war, zerschlägt. Dieser andere ist ein Priester (gespielt von Andrew Scott, den man fürderhin schlicht in allem sehen will). Ein ziemlich progressiv auftretender Priester zwar, einer der flucht und trinkt und für die katholische Etikette wenig übrig hat , der aber das mit dem Zölibat trotzdem sehr ernst nimmt. Fleabag verliebt sich natürlich in ihn. Und was daraus entsteht, ist so kompliziert, so voller gemischter Gefühle und so absolut unvorhersehbar – dass es sich geradezu atemberaubend real anfühlt.
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