Kritik zu Lord of the Toys
Pablo Ben-Yakovs und André Krummels Porträt einer »Influencer«-Clique aus Dresden sorgte beim letztjährigen Dokumentarfilmfestival in Leipzig für viel Aufregung – und wurde mit dem Hauptpreis ausgezeichnet
»Lord of the Toys« war der Aufreger beim letztjährigen Dokumentarfilmfestival DOK Leipzig: Ein Shitstorm brach über die Filmemacher Pablo Ben-Yakov und André Krummel herein, ein Bündnis gegen rechts rief zu Protesten auf und ein Kino, in dem der Film während des Festivals laufen sollte, wollte sich verweigern, war aber vertraglich zur Projektion verpflichtet. Im Anschluss an das Screening stellten sich Yakov und Krummel einem aufgebrachten Publikum, von dem sie regelrecht klein geschrien wurden, wie sie im Interview erklärten.
Noch mehr Öl ins Feuer kam dadurch, dass der Film in Leipzig den Hauptpreis, die Goldene Taube, erhielt. »Lord of the Toys« ist kontroverses Kino, das einen Diskurs provoziert. Den Film allerdings platt als undistanzierte Plattform für gewaltverherrlichende Deppen mit rechten Tendenzen abzutun, wie es teilweise gemacht wurde, erscheint verkehrt. Denn auch wenn es nicht sofort danach aussieht: »Lord of the Toys« ist ein kluger und vielschichtiger Film über die dunklen Seiten der Generation Internet.
Max »Adlersson« Herzberg heißt der damals 20-Jährige aus Dresden, den Yakov und Krummel porträtieren. Im Web hat er Popstar-Status: Als erfolgreicher Influencer folgen ihm mehr als 300 000 Abonnenten auf verschiedenen Social-Media-Kanälen. Max verdient seinen Lebensunterhalt mit Videos und Fotos, in denen er sich mit seiner Clique besäuft, herumpöbelt, über Messer referiert oder Fanpost auspackt, in der er auch mal eine Flasche voll Urin findet.
Die Filmemacher begleiten den Online-Guru und seine Freunde, die allesamt mehr oder weniger erfolgreich bei YouTube und Instagram unterwegs sind. Ihr Film ist zermürbend und oft nervig. Gleich zu Beginn etwa gibt es eine nicht enden wollende Sequenz, in der sich Max und ein Kumpel besaufen. Als sein Gegenüber komplett hinüber ist, sprüht Herzberg literweise Deo auf ihn und albert dabei total hohl: »Jetzt vergas' ich dich!« Bei einer späteren Schlägerei brüllt er: »Wir sind Nazis und stolz drauf. Fickt euch selbst, ihr Fotzen!«
So schwer das manchmal zu ertragen ist: die Kamera bleibt nah dran, nichts wird kommentiert. Braucht es allerdings, aller Kritik gegen diese Distanzlosigkeit zum Trotz, auch nicht. Denn die Filmemacher können sich auf ihre Bilder verlassen. Sie liefern einen unverstellten Blick in eine Welt voller Unsicherheiten, in der jugendliche Identitätssuche und Langeweile in jenes verstörend destruktive Gebaren münden, das in den sozialen Medien großen Anklang findet.
»Lord of the Toys« ist nicht das Porträt einer Generation – in diesem Fall könnten wir alle gleich einpacken. Vielmehr zeigt er einen abgesteckten Mikrokosmos und entwirft ein Sittenbild, das gleichwohl viel über gesellschaftliche Randgruppen und soziale Ungerechtigkeiten erzählt. Und nicht zuletzt stellt »Lord of the Toys« Fragen zu pervertierter Schaulust, zur Macht der Bilder und zu Inszenierungsstrategien, die Herzberger mit seinen rechten Ausbrüchen und anderen Extremen ganz bewusst nutzt. Ein brandaktueller, wichtiger Film.
Kommentare
Krasser Film
Habe die Premiere am 23.5 im Babylon gesehen. Der Film lässt mich nicht mehr los, er ist so krass und bewegt so viele Themen.
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