Kritik zu John Wick: Kapitel 3

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Im dritten Teil der Filmserie um den von Keanu Reeves gespielten Profikiller verwandelt sich John Wicks Welt in eine kafkaeske Version unserer globalisierten Wirklichkeit

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Einige Straßenzüge sind einem natürlich sofort vertraut. Wie sollte es auch anders sein, schließlich spielen die ersten beiden Teile der John Wick-Saga in New York. Aber, und das gehört zum Reiz der Reihe um den von ­Keanu Reeves gespielten Profikiller, jenseits der offensichtlichen Landmarken verbindet John Wicks New York nur wenig mit der amerikanischen Metropole. Der von Mythen umwehte Auftragskiller, den viele seiner Opfer für den »Schwarzen Mann« aus Märchen und Kindererzählungen halten, bewegt sich durch eine bizarre Parallelwelt, die Regisseur Chad Stahelski im ersten Teil grob skizziert und in »Kapitel 2« weiter ausgebaut hat. Doch erst jetzt im dritten Teil offenbart sich langsam das Ausmaß dieses Entwurfs.

Wie in vielen Genre-Universen spielen in dieser Neon-Noir-Welt Polizei und FBI kaum noch eine Rolle. Wenn wieder einmal von allen Seiten Killer auf John Wick einstürmen, beschleicht einen der Verdacht, dass es in dieser Welt nicht einmal mehr Zivilisten gibt. Die Gilde der Assassinen, die John Wick am Ende von »Kapitel 2« aus ihren Reihen verstoßen hat, scheint alle Bereiche der Gesellschaft zu durchdringen. Wohin sich der Killer auch wendet, überall trifft er auf andere Mitglieder der Gilde, die ihm entweder die Hilfe verweigern oder gleich versuchen, ihn umzubringen.

Was sich schon in den vorherigen Filmen andeutete, wird damit zur Gewissheit: Stahelskis Action-Spektakel sind mehr als nur extrem blutige Genrevariationen. Das comichafte Universum John Wicks ist eine kafkaeske Version der gegenwärtigen Welt. Die Gilde der Assassinen gleicht einem global agierenden Konzern. Wer wie John Wick gegen seine Regeln verstößt, steht plötzlich außerhalb jeglicher Ordnung und hat eigentlich nur eine Chance: er muss auf Milde hoffen und sich den bestehenden Regeln unterwerfen. So begibt sich Wick auf seinen ganz eigenen Gang nach Canossa, der ihn in die afrikanische Wüste führt und zugleich die religiösen Anklänge innerhalb der Gilde betont. Jedes wirtschaftliche, politische und soziale System ist in Stahelskis Vision auch eine Glaubensordnung.

Ein faszinierender und zugleich erschreckender Gedanke, der tatsächlich die gesamte Welt der »John Wick«-Filme durchdringt. So wird der Killer nicht einfach aus den Reihen der Gilde verstoßen, er wird »exkommuniziert«. Das von Ian McShanes Winston geleitete Continental Hotel, das gleich einer Kirche ein sicherer Hafen für alle Gildemitglieder war, verliert per Order eben diesen Status, weil sich sein Direktor den Anweisungen des »High Tables«, der Führungsgruppe der Gilde, widersetzt hat. Die Nähe der Gilde zur Römisch-katholischen Kirche wie zur Hochfinanz, verwandelt »Kapitel 3« in eine politische Parabel, die drängende Fragen nach Anpassung und Rebellion stellt. Allerdings zahlt Stahelski für diese neue Ausrichtung auch einen Preis. Die einzelnen Actionsequenzen sind zwar immer noch eindrucksvoll choreographiert. Aber sie haben nicht mehr den einzigartigen Sog, der den zweiten Teil zu einem Meilenstein seines Genres gemacht hat.

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Kommentare

Sascha Westphal hat sehr gut analysiert. Respekt.

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