Kritik zu Der Flohmarkt von Madame Claire
Julie Bertuccelli ist eine der wenigen französischen Regisseurinnen, die gern über den heimischen Tellerrand hinausblicken. Nach Filmen in Georgien und Australien erzählt sie nun eine Geschichte aus der Provinz
Die Erinnerung führt nicht nur in eine Richtung. Einer französischen Redewendung zufolge bewegt sie sich vielmehr auf und ab. Was aus der Vergangenheit wieder in die Gegenwart tritt, ist zuweilen ebenso unvorhersehbar wie die Zukunft.
Claire Darling (Catherine Deneuve) jedoch will endlich Ordnung in ihre Erinnerungen bringen. Das geht nur, indem sie einen radikalen Schnitt vollzieht: Sie will sich von den Erinnerungsstücken trennen, mit denen sie ihr Haus möbliert hat. Aus dem Stegreif veranstaltet sie einen Trödelmarkt im eigenen Garten, bei dem sie sie zu Schleuderpreisen verscherbelt. Die Antiquitätenhändlerin des Dorfes will das Schlimmste verhindern und alarmiert ihre Tochter Marie (Chiara Mastroianni), die ihre Mutter seit einem Streit vor 20 Jahren nicht mehr gesehen hat. Wird es ihr gelingen, Claire Darling von ihrer letzten Verrücktheit (so lautet der Originaltitel des Films) abzubringen?
Die Lebensräume und ihre Ausstattung, das hat sie schon mit ihren Spielfilmen »Seit Otar fort ist« und »The Tree« demonstriert, besitzen enorme Bedeutung für die Regisseurin Julie Bertuccelli. Sie sind eine zentrale Quelle, aus der sich ihre erzählerische Sensibilität speist. Das Haus, in dem Claire nach dem Tod ihres Mannes allein wohnt, ist mit den Requisiten ihres Lebens drapiert. Eine drangvolle, exquisite Enge herrscht darin. »Die Schönheit der Dinge, die uns umgeben, hebt unsere Seele«, sagt sie in einer Rückblende zum Dorfpfarrer, der ihr gern wünschen würde, dass dieses Ambiente ihr Trost spendet. Allein, nach dem Unfalltod von Claires Sohn zweifelt er daran. Nun, als die Ahnung ihres eigenen Todes Claire aus dem Schlaf gerissen hat, soll er die Geister, die das Haus heimsuchen, mit einem Exorzismus austreiben. Aber wie kann das gelingen, wenn auch das Drehbuch unerlöst zwischen dem Einst und dem Jetzt irrlichtert?
Ein Tag und ein Leben geben die Struktur des Films vor. Er rafft viel zusammen auf diesen zwei Zeitebenen, Verlust, Trauer und Verdrängung. In Bertuccellis vorangegangenen Filmen existierte noch die heilsame Ausflucht des Exils, die sich hier in der französischen Provinz nicht einstellen will. Und trotz eines Feuerwerks, eines pittoresken Nachtflugs und der Präsenz eines Zirkus erzielt auch die Magie, anders als noch in »The Tree«, keine Wirkung. Die Regisseurin gibt sich redlich Mühe, Claires entfremdete Tochter erzählerisch in ihr Recht zu setzen. Das Verhältnis zu einer Klärung zu führen, wäre ein Impuls, den man ihr nach ihren früheren Filmen zugetraut hätte. Thematisch knüpft »Der Flohmarkt von Madame Claire« nahtlos an ihr bisheriges Werk an, entpuppt sich dann aber vor allem als Starvehikel.
Die Schübe von Demenz, die Claire zeigt, vertragen sich schlecht mit der Leinwandpersona Deneuves, die klar und souverän artikuliert. Es ist immer noch ein prächtiges Schauspiel, ihr dabei zuzusehen, wie sie gedankenverloren raucht und ihre Mundwinkel amüsiert zucken. Aber das genügt nicht angesichts all dessen, was der Film noch über Mütter und Töchter, über Schuld und Versöhnung hätte erzählen können.
Kommentare
Der Flohmarkt der Madame Claire
Kurz vor dem Ende hatte ich mir so gedacht, gut gemacht und die Übergänge der Zeit eben gut umgesetzt. Nach der Explosion die gesehenen Exponate als Zusammenfassung des Films Revue passieren zu lassen originell. Aber dann Schluß? Es fehlt mir das Resümee. Nein, nun ist es eher ein Kultfilm als ein gut umgsetzter Roman. Schade.
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