Die Namen unter dem Titel

In der zweiten Hälfte von „Die Unbestechlichen“ stellt sich in der Redaktion der „Washington Post“ zum ersten Mal Feierlaune ein. Ihre Geschichte über Watergate hat Fahrt aufgenommen. Das Weiße Haus ist in Bedrängnis geraten und der Pressesprecher äußert sich erstmals im Fernsehen zu den Enthüllungen. Übermütig fragt daraufhin einer der beiden Reporter, ich glaube, es ist Carl Bernstein (Dustin Hoffman), in die Runde: „Kamm mir eigentlich mal jemand erklären, was ein Dementi ist?“

Diese Frage stellte ich mir in den letzten Tagen auch, und zwar mulmig verbunden mit einer zweiten: Was ist eigentlich eine Akademie? Wenige Tage vor der diesjährigen Oscar-Verleihung hat sich die „Academy of Motion Picture Arts and Sciences“ wieder einmal ziemlich blamiert. Durch die Ankündigung, vier Preise würden während Werbeunterbrechungen verliehen, gerät sie in eine Bedrängnis, die sie im Kern ihres Selbstverständnisses trifft. Es handelt sich um die Preisvergabe in den Kategorien Kamera, Schnitt, Maskenbild, Kurzfilm und Haar-Styling. Offenbar waren ursprünglich auch noch die Gewerke Kostüm- und Szenenbild betroffen; die Preise für den Besten Dokumentarfilm, Ton und Visuelle Effekte hingegen wohl nicht. Die Meldung hat heftige Empörung nicht nur unter den Angehörigen der jeweiligen Berufsverbände ausgelöst. Regisseure wie Christopher Nolan und Spike Lee sowie George Clooney und Brad Pitt haben ebenfalls eine Petition unterzeichnet, um die Academy von dieser Torheit abzubringen.

Die Wut der Branche ist groß und verständlich, aber sie kommt überraschend spät. Die geplanten Änderungen im Ablauf der Zeremonie waren bereits im letzten Sommer bekannt (siehe meinen Eintrag „Zweitklassig“ vom 16. 8. 2018), gingen aber anscheinend im Furor der Debatte um den „Blockbuster Award“ unter, den der Sender ABC der Filmakademie diktieren wollte. Die Ausblendung dieser bedeutenden Gewerke überrascht um so mehr, als der amtierende Präsident John Bailey selbst ein exzellenter Kameramann ist. Ich hoffe, seine Frau, die ebenso exzellente Cutterin Carol Littleton, macht ihm zu Hause die Hölle heiß. Aber vielleicht sind der Macht zumindest dieses Präsidenten ja beträchtliche Grenzen gesetzt.

Wenn es so käme, würde die amerikanische dem unrühmlichen Beispiel der europäischen Filmakademie folgen (siehe „Glanz und Elend“ vom 16. 11. 2017). Das lässt sich nicht als ein bloßes PR-Desaster kleinreden. Es ist eine Schande. Die Produzenten der Show rudern momentan zwar nicht zurück. Aber wenn ich die Reihe von Dementis richtig verstanden habe, sollen die Kategorien jetzt nicht ganz aus der Übertragung herausfallen. Sofern es den Preisträgern gelingt, das 90-Sekunden-Limit einzuhalten, also innerhalb von 90 Sekunden auf die Bühne zu eilen und ihre Dankesrede zu halten, werde ihre Ehrung an anderer Stelle hineinmontiert. Das wird ein demütigender Schweinsgalopp werden! Vor enorme Herausforderung stellt das natürlich auch die Geistesgegenwart der Cutter von ABC. Sie werden alle Hände voll zu tun haben. Carol Littleton ist eine Meisterin des unsichtbaren Schnitts. Aber ich bezweifle, dass sie für diese Aufgabe zur Verfügung steht.

PS: Heute wurde gemeldet, dass die Academy dem Druck nachgibt.

 

 

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