Kritik zu The Mule

© Warner Bros. Pictures

In Clint Eastwoods Verfilmung einer wahren Geschichte löst ­ein 90-Jähriger seine Finanzprobleme, indem er sich als Drogenkurier engagieren lässt

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Die größte Attraktion des neuen Films von Clint Eastwood ist sein Hauptdarsteller: Clint Eastwood. Vor der Kamera war Eastwood zuletzt in »Back in the Game« von 2012 zu sehen, als alternder Baseballscout, der unter anderem das Verhältnis zu seiner von Amy Adams gespielten Tochter klären muss. Das Alter und die Töchter schälen sich nun als die eigentlichen Themen von Eastwoods aktueller Schaffensphase heraus. So eröffnet »The Mule« mit Szenen, in denen Konflikte auf beiden Ebenen entzündet werden. Da sieht man den Zierpflanzenzüchter Earl Stone (Eastwood), wie er sich auf einer Gärtnermesse feiern lässt; aufgeräumter Stimmung, weil erneut als bester Lilienzüchter ausgezeichnet, kommentiert er die Internet-Verkaufsanstrengungen eines Kollegen mit: »Puh! Wer braucht schon das Internet?« Während er flirtend herumstolziert, wartet woanders seine Tochter Iris (gespielt von Eastwoods leiblicher Tochter Alison Eastwood) im Hochzeitskleid darauf, dass ihr Vater sie zum Altar begleitet. Er sei nie pünktlich gewesen und habe immer die Arbeit der Familie vorgezogen, hört man die Ehefrau Mary (Dianne Wiest) schimpfen.

Zwölf Jahre später setzt die eigentliche Handlung des Films ein, mit einem von seiner Familie nun gänzlich entfremdeten Earl, der sein Geschäft und sein Haus verliert, weil er sich nicht ans Internetzeitalter anpassen konnte. Auf einer Familienfeier, bei der er zum Trotz erscheint, spricht ihn ein junger Mann an, der von seiner reichen Erfahrung als fahrender Händler beeindruckt ist. Ob Earl nicht Geld verdienen wolle, nur mit Fahren?

Die Szene wirkt, als begreife der fast 90-Jährige nicht gleich, dass es sich dabei um einen Drogenjob handelt. Aber je länger man im Anschluss mit Earl auf der Straße und bei den verschiedensten Begegnungen verbringt, desto mehr schält sich heraus, welchen Charakter Eastwood hier spielt: einen alten Mann, der auszunutzen weiß, dass ihn andere für leicht senil halten, der sich selbst vielleicht aber auch für schlauer hält, als er ist.

Earl jedenfalls wird zum titelgebenden »Mule«, einem Drogenkurier. Der Job sieht am Anfang traumhaft einfach aus: Earl fährt sein Auto in eine Garage, wo zuerst sehr bedrohliche, dann immer leutseligere Jungs mit mexikanischem Migrationshintergrund ihm eine Ladung zuteilen und ihm erklären, wie man mit einem Smartphone umgeht. Er startet den Wagen und los geht's durch die Weiten der USA, mit heruntergekurbeltem Fenster, Wind im Haar und Countrymusik im Radio. Ein Traum von Freiheit und Abenteuer. Am Zielpunkt verlässt er kurz das Vehikel, und wenn er zurückkommt, findet sich Geld in der Ablage. Earl kann nicht nur sein Haus behalten, er leistet sich bald ein schickes neues Auto, hilft einem befreundeten Gastwirt aus und wendet sich dann mit großzügigen Subventionen auch der eigenen Familie zu. Leider verschärft sich unterdessen die Rivalität innerhalb der Drogengang, für die er arbeitet, und gleichzeitig kommen ihm die Ermittler auf der Suche nach einem ungeheuer effektiven Drogenkurier namens »Tata« immer näher.   

Der Film ist inspiriert von einer wahren Geschichte, in der ein fast 90-jähriger gescheiterter Gärtner tatsächlich über zehn Jahre für das Sinaloa-Kartell Drogen durchs Land fuhr. Als er schließlich erwischt wurde, schützte er Senilität vor. Aber Eastwood und sein Drehbuchautor Nick Schenk interessieren sich nicht wirklich für den wahren Kern dieser Geschichte. Ihnen geht es um die Ausstellung eines gesellschaftlichen Kontrasts. Earl ist nicht einfach alt, er ist ein Oldtimer, einer, der zu Afroamerikanern noch »Negro« sagt und es nicht böse meint, natürlich. Genauso wenig, wenn er »seine« Drogenhändler, sämtlich »Mexikaner«, mit »you people« anredet. Und natürlich nutzt er jede Gelegenheit, das digitale Zeitalter zu verurteilen: Eure Generation kann keine Dose öffnen, ohne das Internet anzurufen!

Das könnte alles sehr holzschnittartig geraten und auf das gute alte »Das wird man doch noch sagen dürfen« hinauslaufen. Aber Eastwood, mit vollem Körpereinsatz seiner eigenen, 88-jährigen Altersfragilität, macht in seinem Auftritt zugleich den Starrsinn als auch die Hilflosigkeit des Alterns sichtbar. Man kann dem Film ankreiden, dass er keiner anderen Figur seiner herausragenden Besetzung viel Entwicklung gönnt, nicht einmal dem von Bradley Cooper mit großem Charisma gespielten DEA-Agenten, aber Eastwoods Auftritt allein macht »The Mule« sehenswert.  

Meinung zum Thema

Kommentare

Mir hat dieser Clint Eastwood wieder richtig gut gefallen. Ein relativ ruhiger Film , tolle Leistung der Schauspieler, berührend und, darüber bin ich froh, ohne übertriebene Darstellung von Brutalitäten und Gewalt. Musik und Landschaftsaufnahmen ebenfalls sehr schön. Gute Unterhaltung

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