Kritik zu Dr. Ketel - Der Schatten von Neukölln
Der Berliner Problembezirk Neukölln ist über die Grenzen der Hauptstadt hinweg bekannt. In Linus de Paolis DFFB-Abschlussarbeit wird er zum düsteren Schauplatz eines Neo-Noir
Berlin-Neukölln. Die nahe Zukunft«, lautet ein Insert zu Beginn. Die Titelfigur (Ketel Weber) ist ein sonderbarer Heiliger, ein hünenhafter Mann, der nachts auf den Straßen von Neukölln unterwegs ist und Patienten kostenlos behandelt. Er sei gar kein richtiger Arzt, muss er sich von dem Klinikarzt Dr. Wissmann sagen lassen, der ihn von früher her kennt und sein Tun missbilligt. In bewusst flachen, oft verkanteten Bildern, bei denen die Kamera nah an die Figuren heranrückt, erzählt der Film sein erstes Kapitel (»Ketel«). In der Montage so sprunghaft wie in seiner Erzählung: so schnell sich eine Beziehung zu einer attraktiven Apothekerin (Franziska Rummel) ergibt, so schnell verschwindet sie auch wieder aus der Geschichte. Die kurze Idylle zwischen den beiden ist auch zu schön, um wahr zu sein, denn Ketel ist ein Getriebener. Als er seinen Tages- und Tarnjob als Hausmeister vernachlässigt und mit der Stelle auch seine karge Kellerwohnung verliert, muss er auf der Straße leben und wird schließlich selbst krank. Der schwarze Klumpen, den er herauswürgt, lässt den Zuschauer eine Wendung zum Horrorfilm erwarten, zumindest wenn man mit den frühen Filmen David Cronenbergs vertraut ist. Am Ende bricht er in einem Supermarkt zusammen, Handschellen schließen sich um sein Gelenk.
Das zweite Kapitel (»Louise«) zeigt das Geschehen noch einmal, verknappt, aus der Perspektive der amerikanischen Sicherheitsexpertin Louise (Amanda Plummer), eigens eingeflogen, um die Apothekeneinbrüche in Neukölln zu klären. Statt der düsteren Interieurs, in denen der wortkarge Ketel agierte, bewegt sich die Schnell- und Vielrednerin in lichten, hochgelegenen Konferenzräumen. Ihr Spiel ist natürlich, wo das von Ketel Weber etwas leicht Hölzernes hat. Bei ihrem ersten Zusammentreffen sieht man auch, dass er sie gleich um mehrere Köpfe überragt. Kapitel 3 (»Ketel und Louise«) erweist sich dann als eine Konfrontation der anderen Art, zwischen zwei Antagonisten, die vieles gemeinsam haben, und unterstreicht damit noch einmal, dass es dem Film eher um die Brüche geht. Die Widmung zu Beginn des Nachspanns verrät das persönliche Element: »Für meinen Vater. Arzt in Neukölln 1980–2009.
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