Serien-Tipp: »Mozart in the Jungle«
»Mozart in the Jungle«: Staffel 4 (2017). © Amazon Studios
Seit April steht fest, dass es nach der vierten Staffel kein da capo mehr geben wird. Damit endet eine Serie, die zu den besten Amazon-Eigenproduktionen zählt und, 2014 begonnen, 2016 mit zwei Golden Globes in den Kategorien Beste Comedyserie und Bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde. Dass sich eine Nischenserie über die Klassiksubkultur überhaupt so lange hielt, ist bemerkenswert.
In 40 Episoden wird das Auf und Ab des Werdegangs der jungen Oboistin Hailey Ruthledge geschildert, der es halbwegs gelingt, bei den New Yorker Philharmonikern anzudocken. Die zweite Hauptfigur ist der charismatische Dirigent Rodrigo de Souza – der Charakter ist von dem Venezolaner Gustavo Dudamel, Dirigent des Los Angeles Philharmonic Orchestra, inspiriert –, der dem Orchester mehr Schwung verleihen soll. Schon bei den euphorischen Kritiken zum Serienstart war das Bemühen spürbar, den Klassikaspekt herunterzuspielen, so als ob man potenzielle Zuschauer nicht vergraulen wolle. Der Tenor war: Nein, es wird nicht ständig mit der Oboe getrötet. Aber ja, es wird ständig analoge Musik gemacht, und dies sogar mit vielen Cameos namhafter zeitgenössischer Musiker wie Lang Lang. Doch klassische Musik ist hier das Gegenteil eines andächtigen Hochamtes der pädagogisch wertvollen Sorte. Dafür bürgt bereits die Vorlage, die 2005 unter dem aufreizenden Titel »Mozart in the Jungle: Sex, Drugs, and Classical Music« veröffentlichten Memoiren von Blair Tindall, einer ehemaligen Oboistin bei den New Yorker Philharmonikern.
Die davon inspirierte Handlung spielt aber in der Jetztzeit. Und wo anfangs frivole Insider-Szenarien des Lotterlebens hinter den Kulissen des Konzertbetriebs das Interesse anheizen sollen, gewinnen die exzentrischen Charaktere schnell an Tiefe, erfreut die Handlung mit immer neuen, hart am Zeitgeist segelnden Schlenkern. Für den leichtfüßigen Offbeat-Humor, bei dem Zoten und Karikaturen vermieden werden, sind bewährte Produzenten und Autoren verantwortlich. Jason Schwartzman und Roman Coppola sind langjährige Mitarbeiter von Wes Anderson, Paul Weitz ist unter anderem Regisseur von About a Boy und Alex Timbers ein renommierter Broadway-Theatermacher. Sie erden die Serie nicht nur mit Streiflichtern auf das hippe, prekäre Künstlerleben und (ungewohnt für deutsche Zuschauer) den ständigen Kampf um Sponsoren für das finanziell klamme Orchester. Die glamourösen Events, bei denen Society-Ladys um Spenden angebettelt werden, sind für die Musiker eine harte Fron. Auch karrierebeendende Verletzungen, Streiks und Krankenversicherung kommen zur Sprache. In der letzten Staffel geht es um die Wiederentdeckung von Komponistinnen.
Doch die durchgängige Tonart ist allegro con brio, aufgelockert durch fantasievolle und erfreulich oft ins Gagaeske kullernde Intermezzi. Sporadisch taucht Mozart himself im Barockkostüm als Rodrigos spiritueller Ratgeber auf, wird aber irgendwann durch einen öligen Liberace ersetzt. Ebenso anregend ist das Ensemble, angefangen mit Gael García Bernal als quirliges Genie, das Narrenfreiheit genießt; Lola Kirke, die Schwester von »Girls«-Serienstar Jemima Kirke als selbstironische Aspirantin; außerdem etwa die unfassbar schöne Saffron Burrows als bisexuelle Cellistin, Altstar Debra Monk als Haileys biestige Rivalin; und Malcolm McDowell (»A Clockwork Orange«) hat erkennbar Riesenspaß an seinem Auftritt als eitler, verrenteter Dirigent. Als roter Faden dient zwar die lange in der Schwebe gehaltene Anziehung zwischen »Rrodrigo« und »’Ailii«. Doch ihre Intensität gewinnt die Serie durch ein existenzielleres Leitmotiv: Die Hingabe an Kunst und Musik ist hier eine todernste Lebensmission, die aber nur mit einer Haltung spielerischen Unernstes gelingen kann. So charmant wie in dieser Serie ist dieses Paradox kaum je vorgeführt worden.
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