Kritik zu Julian Schnabel – A Private Portrait
Reichhaltige Materialsammlung: Filmemacher Pappi Corsicato porträtiert seinen bekannten Künstler-Freund
Die Schwester. Zwei immer noch zugewandte Exgattinnen. Ein halbes Dutzend dankbarer Töchter und Söhne. Freunde. Dazu das in Künstlerporträts übliche Fachpersonal aus Kuratorinnen, KollegInnen und Experten. Es ist ein großer bunter Strauß an Menschen, die – oft in malerischer Umgebung – von Pappi Corsicatos Team befragt wurden und nun in knapp zusammengeschnipselten Statements das Mosaik eines der angesagtesten aber auch umstrittensten Künstlers aus der New Yorker Kunstszene der letzten Jahrzehnte zeichnen. Zusätzliche visuelle Dichte und Vielfalt gibt es durch Archivfilme aus Kunst und Privatleben und aktuell gedrehte Szenen, die Schnabel bei der Arbeit oder beim Entspannen mit Surfbrett oder Baby zeigen.
Erzählt wird brav chronologisch von frühkindlichen Talentbeweisen über die großen »neo-expressionistischen« Erfolge der 1980er bis zu einer Gedenkveranstaltung für den verstorbenen Freund Lou Reed, wo Witwe Laurie Anderson und Bono anerkennende Worte für den Maler in die Kamera geben. Auch Schnabels zum Teil preisgekrönte Spielfilmproduktionen seit »Basquiat« (1996) werden gewürdigt. Doch die Fülle, die das reichhaltige und breit ausgestreute Material verspricht, wird inhaltlich nicht eingelöst: Denn die Tonlage ist bei aller Vielstimmigkeit gleichförmig und monoton hochgestimmt als Lobpreisung von Mensch und Werk. Und viele der Statements verharren redundant im Umkreisen genialischer Klischees (»Er war mit jeder Faser seines Körpers Künstlers«), die auf Überhöhung ins Übermenschliche zielen.
Diese auch durch die musikalische Begleitung angefeuerten wiederholten Beschwörungen künstlerischer und menschlicher Übergröße ermüden schnell, zumal eine über Anekdotisches hinausgehende Auseinandersetzung mit Schnabels Arbeit ebenso fehlt wie eine kontextuelle Platzierung jenseits dieser Setzungen. Corsicato, der selbst zum Freundeskreis des Künstlers zählt, versucht zwar, mit der Etikettierung seines Imagefilms als »privates Porträt« das Fehlen persönlicher und sachlicher Distanz abzufedern, lässt die eigene Position zu seinem Sujet im Film selbst aber gänzlich unreflektiert.
Erklären lässt sich die hagiografische Tendenz auch durch die Tatsache, dass Schnabel selbst als Produzent des Films fungiert. Doch die Intention, sich selbst ein Denkmal zu setzen, dürfte in ihrer Durchsichtigkeit und angesichts von Schnabels Selbstgefälligkeit zumindestens bei einem Teil der Zuschauer nach hinten losgehen. Besonders dreist wird die Aufplusterei, wenn Schnabel sich beim Selbstlob für seinen Basquiat-Film quasi die Identität des früh verstorbenen afroamerikanischen Künstlers überzieht. Spätestens, wenn der vom Malerfürsten als pseudo-venezianische Trutzburg in die Skyline des New Yorker West Village gebaute XXXL-Wohnturm »Palazzo Chupi« immer wieder ins Bild kommt, schiebt sich über Schnabel das Bild eines anderen größenwahnsinnigen und hyperreichen New Yorkers, der seine Stadt mit einem eigenen Turm beglückte.
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