Interview mit Bill Nighy über seine Rolle in »The Limehouse Golem«
»The Limehouse Golem« (2016). © Concorde Filmverleih
Wie »Ihre beste Stunde«, der vor zwei Monaten in den deutschen Kinos lief, und der demnächst anlaufende Film »The Bookshop« von Isabel Coixet basiert auch »The Limehouse Golem« auf einer Romanvorlage. Wie gehen Sie damit um? Lesen Sie in Ergänzung des Drehbuches auch die literarische Vorlage?
Nein, denn der Roman ist nicht der Film – das Drehbuch ist der Film. Wenn man die Vorlage liest und sich in etwas verliebt, was nicht im Drehbuch ist, dann macht einen das bloß traurig. Denn natürlich müssen die meisten Drehbücher literarische Vorlagen verknappen. Es ist besser, das Buch erst danach zu lesen. Im Fall von »The Bookshop« allerdings hatte ich das Buch schon vor längerer Zeit gelesen, da ich ein großer Fan von Penelope Fitzgerald bin und fast sämtliche Bücher gelesen habe, die sie geschrieben hat. Bei »The Limehouse Golem« dagegen habe ich den Roman von Peter Ackroyd erst gelesen, als die Dreharbeiten schon begonnen hatten, was auch damit zu tun hatte, dass ich nicht sehr viel Zeit für die Vorbereitung hatte.
Wie würden Sie Ihre Figur des Polizeiinspektors Kildare charakterisieren? Ist er der klassische tragische Held, weil er für eine Person eintritt, die erst am Ende ihr wahres Gesicht zeigt?
Das ist eine zutreffende Beschreibung. Es handelt sich bei ihm um eine klassische Figur – den letzten aufrechten Mann in Großbritannien. Er hat Prinzipien, das macht ihn nicht gerade populär. Er ist ein Held der stillen Sorte.
Ziemlich zu Beginn wird klar, dass sein Vorgesetzter ihn mit diesem Fall betraut, weil er ihn damit zum Sündenbock machen kann, sollte er ihn nicht lösen können. Zudem wird über ihn geäußert, er sei »not exactly a ladies' man«. Als Sie später mit ihrem Kollegen George Flood (Daniel Mays) in einer Kneipe sitzen, hat der diese Bemerkung offenbar im Kopf und zuckt bei einer Berührung zurück. Wie wichtig war diese Aussage für Ihr Spiel?
Dass er schwul war, hat mir gut gefallen, denn das war in jener Zeit offensichtlich gefährlich für ihn. Vor allem aber hat mir gefallen, wie der Film davon erzählt, dass er das eher lakonisch abhandelt, es wird nicht explizit thematisiert, er ist einfach ein Polizist, der nun einmal schwul ist.
Ist das etwas, was im Roman anders dargestellt wird?
Ja. Denn John Kildare ist im Roman keine zentrale Figur. Die Lektüre hat mir also, abgesehen vom Eintauchen in die Atmosphäre jener Zeit, für die Darstellung dieser Figur keine Anhaltspunkte gegeben. Im Film dagegen ist Kildare die Identifikationsfigur für den Zuschauer, der das Geschehen durch seine Augen sieht.
Kildare ist im Film eine Autoritätsfigur, es gibt keinerlei komische Momente zwischen ihm und anderen Figuren, höchstens einmal sehr, sehr knappe Augenblicke zwischen ihm und seinem Untergebenen. Ich muss gestehen, dass ich selber Ihre Darstellungskunst am meisten schätze, wenn sie – oft sehr lässig – Ihre Figuren mit einer gewissen, oft selbstironischen, Komik ausstatten wie zuletzt in »Ihre beste Stunde« den alternden Schauspieler Ambrose Hilliard, der sich lange nicht eingestehen will, dass seine beste Zeit hinter ihm liegt. Wie sehen Sie selber das? Vermissen Sie diese Möglichkeiten manchmal, wenn Sie eine gradlinig ernste Figur verkörpern wie im »Limehouse Golem« oder, noch stärker, den deutschen Offizier in »Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat« an der Seite von Tom Cruise?
Nun, ich habe immer versucht, eine Balance zwischen beiden zu bewahren. Ich kann allerdings verstehen, dass es die Erwartung gibt, meine Figuren werden ihre komischen Momente haben. Die ideale Situation sind Figuren, die zwischen beiden Polen angesiedelt sind – glücklicherweise hatte ich oft genug Gelegenheit, solche zu verkörpern.
Wenn Sie in einem historischen Film mitwirken, wie in »The Limehouse Golem« oder auch »Ihre beste Stunde«, inwieweit machen Sie Sich dabei Gedanken über die entsprechende Zeit, insofern als die Menschen sich damals anders bewegten oder anders sprachen?
Das ist ein interessanter Bereich. Wenn ich das Drehbuch für einen historischen Film bekomme, vermerke ich normalerweise auf der Vorderseite: »Dies ist kein historischer Film.« Denn für mich ist es ein gegenwärtiger Film. Wenn sie so sprechen würden, wie es die Menschen in einer vergangenen Ära getan haben, würden sich die Zuschauer wegwerfen vor Lachen. Da müssen wir einen Kompromiss finden.
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