Kritik zu Meine Cousine Rachel

© 20th Century Fox

Eine Frau unter Verdacht: In der Neuverfilmung von Daphne du Mauriers melodramatischem Roman übernehmen Rachel Weisz und Sam Claflin die Rollen von Olivia de Havilland und Richard Burton

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Die in schwarze Spitzenschleier gewandete Rachel erscheint als Zierde ihres Geschlechts. Angesichts der Andeutungen über ihre Vergangenheit könnte man aber auch das Urteil fällen, dass diese anziehende und, wie sich bald erweist, mittellose Witwe den Teufel im Ranzen hat. Als Rachel ihren bis dahin unbekannten Verwandten Philip auf dessen Landgut in Cornwall aufsucht, becirct sie als Erstes die Jagdhunde. Auch der junge Gutsherr, der gute Gründe zu haben glaubt, sie zu hassen, frisst ihr sogleich aus der Hand. Oder vielmehr: Philip ist noch nicht Gutsbesitzer, aber der designierte Erbe seines Ersatzvaters Ambrose. Ambrose hatte in Florenz überraschend ­Rachel geheiratet, hatte an Philip beunruhigende Briefe geschrieben, in denen er Rachel allerlei Ränken bezichtigte, und war dann bald unter der Erde. Erst an Philips 25. Geburtstag wird das Anwesen von ­Ambrose in seinen Besitz übergehen. Bis dahin, so fürchtet Philips Anwalt, könnte Rachel den unerfahrenen Provinzler um den Finger wickeln. Der Countdown läuft.

Vor der in betörenden Grüntönen leuch­tenden Countryside entspannt sich ein Psychodrama, in dem sich Philip trotz aller Vorbehalte in die Witwe vernarrt und alle Befürchtungen seines Anwalts (der selbst eine heiratsfähige Tochter hat) bestätigt. Doch was will Rachel? Geld und/oder Liebe? Es ist immer wieder faszinierend, wie klarsichtig angelsächsische Autorinnen das Dunkelfeld zwischen Romantik und Berechnung und damit auch der unguten Abhängigkeiten erhellen. Regisseur Roger Michell, dessen Repertoire sowohl die Komödie »Notting Hill« als auch das böse Drama »Die Mutter« umfasst, wildert mit seiner Veranschaulichung der gesellschaftlichen Konfliktlinien in Jane Austens Revier, ohne aber das schauerromantische »Gothic«-Flair von Daphne du Mauriers Roman zu verraten. So legt er gekonnt Fährten, rückt Testamente und die Tassen mit Kräutertee, die Rachel Philip aufdrängt, prominent ins Bild. Bis fast zum Filmende schillert die Überfrau in verdächtigen Farben, erscheint mal als manipulative Goldgräberin, mal als giftmischende Verführerin. Und mal als verletzliches Hascherl, das versucht, seine Autonomie zu wahren in einer Gesellschaft, die Eigenständigkeit für Frauen nicht vorsieht. Für Philip changiert das Objekt seiner Begierde zwischen Heiliger, Hure und jener Mutter, die er nie hatte.

Leider vertieft Michell nie die Abgründe in Philips Verblendung, etwa wenn Sex ins Spiel kommt. Gerade aber weil dieses England des Jahres 1830 noch weiter von uns entfernt ist als in der Filmversion von 1952, grenzt Philips Unbedarftheit oft an Persiflage. Zwar kann man sich schwerlich eine perfektere Rachel als Rachel Weisz mit ihrem Mona-Lisa-Lächeln vorstellen, und auch Sam Claflin verleiht der »verfolgenden Unschuld« Philip eine gewisse Tragik. Doch Michell zieht nie die Samthandschuhe aus und verlässt in seiner allzu werkgetreuen Version kaum je den erwartbaren Rahmen des britischen Qualitätskinos. Das ist nicht wenig und hat doch für ein Drama, das auch ein heutiges Publikum ergreifen soll, zu ­wenig Biss.

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