Kritik zu Life
Eine Weltraum-WG bekommt unverhofft extraterrestrischen Besuch von einem sich rapide entwickelnden Organismus
Seit ein paar Jahren erlebt der Science Fiction-Film im Kino eine Renaissance. Seit »Gravity« stellen uns diese Filme vor allem vor die Frage, was passiert, wenn die menschliche Hybris die Erde an die Wand gefahren hat und wir angesichts einer wie auch immer gearteten Naturgewalt plötzlich wieder klein und schwach aussehen. Konsequenterweise kommt auch die Eröffnung von »Life« völlig ohne Menschen aus und lässt den Zuschauer zunächst zu sakraler Musik durch die Milchstraße und später durch die Innenräume der ISS, einer internationalen Raumstation, gleiten. Irgendwann ist dann auch mal ein Mensch zu sehen, aber erst nachdem Natur und Technik genügend Respekt gezollt wurde.
Dieser behäbige Duktus der Exposition ist entweder dem Zeitgeist geschuldet – neue SF-Filme wie »Gravity« oder »Arrival« geben sich eher nachdenklich – oder soll unsere Sehgewohnheiten gezielt in die Irre führen. Denn von dem Moment an, in dem die obskure außerirdische Lebensform, die die Besatzung der ISS (darunter Jake Gyllenhaal) unter viel Ehrfurcht und Gejubel entdeckt haben, nach einer langen Schlaf- und Findungsphase plötzlich aktiv wird, ist es vorbei mit der galaktischen Ruhe, und der Film gewinnt an Tempo. Dieses Wesen, man muss es sich als eine Art Seestern mit Fangarmen und Klauen vorstellen, ist nicht nur den Menschen körperlich und geistig überlegen, sondern auch sehr, sehr hungrig. Effektvoll und blutig setzt Regisseur Espinosa diesen Erweckungsprozess in Szene. Dabei hebelt er die Zeit nach allen Regeln der Genre-Kunst aus: Wenn »Calvin«, wie die Menschen die neu entdeckte Lebensform anfangs liebevoll getauft hatten, erst mehrere Minuten braucht, um einem Astronauten die Hand zu brechen, ihm dann aber wenige Sekunden genügen, um »Gaststar« Ryan Reynolds komplett von innen auszuhöhlen, ist das ganz großes Horrorkino.
Und genau in dem genüsslichen Ausschlachten dieser Home-Invasion der dritten Art liegen auch die starken Momente dieses Filmes. Mit Action und Spannungsmomenten kann Espinosa (»Safe House«) weit besser umgehen als mit ruhigen, nachdenklichen Szenen, die immer ein bisschen steif und aufgesetzt wirken. Leider leidet der Film ebenso wie die Menschen im Film unter Hybris: Immer wieder will er existenzielle Fragen berühren – das führt auf der Dialogebene zu einem esoterischen Raunen in Terrence-Malick-Manier, was den Genre-Genuss stark mindert. Horror-Freunde werden das aber ebenso verzeihen, wie die penetrant ungeklärte Frage, wieso die Astronauten auch nach langem Studium scheinbar nichts über den mörderischen kleinen Kerl zu wissen scheinen, der seinerseits aber sowohl die Raumplanung der ISS als auch die menschliche Psyche aus dem FF zu kennen scheint.
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