Kritik zu Europa – Ein Kontinent als Beute
Christoph Schuch zeichnet in seinem Dokumentarfilm das Bild eines Kontinents in der Krise und unter der Dominanz des internationalen Kapitals
In seinem Film »Where To Invade Next« präsentierte der US-Regisseur Michael Moore 2015 noch augenzwinkernd ein idealisiertes sozialstaatliches Europa, das er den USA als Spiegel vorhielt. Jetzt kommt von zwei deutschen Filmemachern eine scharfe, aber deutlich humorlosere Replik. Dabei zielt der Film von Christoph Schuch »Europa – ein Kontinent als Beute« sicherlich nicht gegen Moore selbst. Er entwirft inhaltlich aber fast echoartig das bitterböse ent-romantisierte Gegenbild des Kontinents als in Agonie liegenden Ort des Desasters unter Dominanz des internationalen Kapitals und (schöne Assoziation zu Moores Titel!) der USA.
Dabei ist das Europa im Dokumentarfilm reduziert auf Deutschland und die Südländer Spanien, Griechenland und Portugal, wo Christoph Schuch einst ein Jahr studiert hat. Und es steht – offensichtlich ist der Film vor Brexit und Flüchtlingsansturm gedreht – noch ganz im Zeichen von Finanzkrise und Ukraine. Der Konflikt zwischen Alt-EU-Staaten und den osteuropäischen Beitrittsländern wird dennoch mit keinem Wort erwähnt.
Und Wörter gibt es im Film viele. Der Titel knüpft an ein 1999 erschienenes Buch zur Gentrifizierung an – »Stadt als Beute«, später übernommen sowohl für ein »szenisches Projekt« von René Pollesch als auch für Andreas Wilckes letztjährigen Dokumentarfilm über den Immobilienmarkt in Berlin. Schuchs Dokumentarfilm gruppiert sich um drei statisch inszenierte Gespräche mit Auskunftgebern aus dem deutschsprachigen Euro- bzw. EU-kritischen Spektrum: mit dem Europaabgeordneten der Linken Fabio De Masi, der von der demokratischen »Kastration« des Brüsseler Parlaments erzählt; mit dem als »Börsenmakler« etikettierten Bestsellerautor und Putin-Versteher Dirk Müller und mit dem Schweizer Historiker (und als Verschwörungstheoretiker umstrittenen) Daniele Ganser, der vom Sofa aus den großen Bogen von der Lügenpresse (»Pressekomplott« nennt er es) bis zur Kriegsgefahr schlägt.
Hinzu kommen – quasi als Ortszeugen – eine portugiesische Jungakademikerin und zwei spanische Aktivisten, die sich mit ihrer »Route der Verschwendung« als Stadtführer im spanischen Valencia selbstständig gemacht haben, einer Stadt, die mit ihren architektonisch erlesenen Investitionsruinen ein viel zitiertes Paradebeispiel für Korruption und regionalen Größenwahn darstellt. Die durchgestylte Stadtwüste gibt es auch immer wieder in atmosphärisch gehaltenen Intermezzi zu sehen, die von einem dramatisierenden Soundtrack begleitet werden.
Der Film als Ganzes bietet viel Behauptung und wenig Möglichkeit zum eigenen Denken. Dabei geht es um wichtige Fragen wie die nach der Dominanz des Ökonomischen oder der Entstehung von Rassimus. Doch die Antworten werden nicht im Offenen gesucht, sondern in arg simplifizierenden Statements. Dabei setzt der Film auf Konsens. Zweifel an agierenden Personen oder Widerprüche gegen vorgebrachte Argumente werden nicht zugelassen. Und mag man beim ersten Sehen vieles richtig und interessant finden, nerven bei intensiverer Betrachtung doch die monokausalen Argumente und die autoritäre Präsentation.
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