Interview mit Edward Zwick über seinen Film »Jack Reacher: Kein Weg zurück«
Edward Zwick am Set von »Jack Reacher: Kein Weg zurück« (2016). © Paramount Pictures
Mr. Zwick, ich vermute, das ursprüngliche Drehbuch für diesen Film stammte von Richard Wenk, und Sie haben dann Marshall Hershkovitz dazu geholt, mit dem Sie bereits wiederholt zusammengearbeitet haben. Welche Änderungen und Akzentsetzungen haben Sie vorgenommen?
Richard hatte eine werkgetreue Adaption des Romans vorgenommen, in der die Beziehung zwischen Reacher und Turner eine zentrale Rolle spielte. In diesem Roman gibt es zudem die Geschichte des Mädchens, die möglicherweise die Tochter von Reacher ist. Die ist aber nie richtig mit der Hauptgeschichte verwoben. Wir fanden es vielversprechend, einen Action-Film zu machen, in deren Mitte sich eine ganz andere Geschichte abspielt. Wir haben drei sehr selbstbewusste Figuren, Alpha-Tiere, von denen keine mit den anderen zusammen sein will.
Wie arbeiten Sie mir Marshall Hershkovitz zusammen? Sitzen Sie im selben Raum?
Ja, Wobei es heute ja auch schon Programme gibt, die es Dir erlauben, an verschiedenen Orten zu sein und trotzdem einen Bildschirm vor sich zu haben, auf dem die Ideen des anderen gleich sichtbar werden. Wir kennen uns jetzt so lange, dass das genau so gut funktioniert, aber wir sitzen doch am liebsten zusammen im selben Raum. Dabei passiert es dann auch eher, dass ein positives Feedback einen ermuntert - manchmal hat man einen Einfall, ist sich aber unsicher darüber und äußert ihn dann eher zögerlich, aber mein Gegenüber bestätigt mir dann, dass er es doch wert war, ausgesprochen zu werden - gerade wenn es sich um exzentrische oder persönliche Ideen handelt.
War die lange Sequenz, die während des Karnevals in New Orleans auf den Straßen voller Menschenmassen spielt, je umstritten wegen der Kosten oder der Logistik?
Nein. Denn Louisiana hat, ähnlich wie andere Bundesstaaten, erhebliche Steueranreize für so etwas.
Und die Logistik?
Da haben wir uns in der Tat einiges einfallen lassen, so haben wir Momente aus einem realen Karnevalsumzug zwischen unsere Action geschnitten oder Leute aufgefordert, ihre ausgefallenen Kostüme vor der Kamera zu präsentieren.
Es ist zwölf Jahre her, dass Sie zum letzten Mal mit Tom Cruise gearbeitet haben. Ich erinnere mich noch an die Berliner Pressekonferenz zu »Der letzte Samurai«, bei der er seine körperliche Fitness durch einen Sprung auf den Tisch unter Beweis stellte.
Daran habe ich gar keine Erinnerung mehr! Er ist immer noch sehr engagiert, das Drehen macht ihm Spaß, er ist hart gegen sich selbst, das beflügelt auch die anderen am Set. Er ist dankbar, das zu tun, was er tut – mit ihm ist die Atmosphäre am Set einfach angenehm, und das ist auch für mich bei der Auswahl derjenigen, mit denen ich zusammenarbeite, das entscheidende Kriterium.
Er macht ja auch immer noch seine meisten Stunts mit Freude selber. Wird das alles vor Drehbeginn festgelegt oder muss das manchmal erst auch vor Ort entschieden werden, aufgrund der räumlichen Logistik oder anderer temporärer Faktoren.
Wenn er mal den Eindruck hätte, etwas könnte zu gefährlich sein, würde er es ansprechen, das war hier aber nie der Fall. Die Sicherheitsvorkehrungen sind einfach sehr ausgeklügelt, gerade wenn er an einem Flugzeug hängt oder ähnliches. Demgegenüber kann man sich bei einer Nahkampfszene viel leichter verletzen.
Wie in »The Last Samurai« verkörpert er auch hier einen geheimnisvollen Fremden. Sehen Sie diese Verbindung zwischen den beiden Figuren?
Nun, in »The Last Samurai« war seine Figur ein Mann, der innerlich zerbrochen war, er hatte seine moralische Orientierung verloren und die Geschichte handelte davon, wie er sie wiedererlangte. Hier haben wir es mit einem Mann zu tun, der weiß, was er will, dessen Beziehung zu anderen Menschen allerdings ein Problem ist. Er ruht in sich selber, aber auch um den Preis, sich von der Gesellschaft abgekapselt zu haben. Durch die Begegnung mit den beiden Frauen erkennt er den Preis, den er dafür zahlt - insofern sehe ich diese beiden Figuren eher unterschiedlich.
Zumindest für den deutschen Kinogänger hatte der erste »Jack Reacher«-Film einen Bonus durch die Besetzung des Oberschurken mit Werner Herzog, den Menschen meiner Generation noch als einen der Autorenfilmer des neuen deutschen Films kennen. Haben Sie je überlegt, ob und wie Sie das noch überbieten könnten?
Nein, das ist mir nie eingefallen. Wer hätte das sein können? Martin Scorsese?
Sie legen stattdessen den Fokus nicht auf den Drahtzieher im Hintergrund, sondern auf Reachers direkten Gegner, der ihn verfolgt und mehrfach versucht ihn zu töten.
Und dafür schien mir Patrick Heusinger , der eine durchaus charismatische Ausstrahlung mit einer beachtlichen Kampfkunst verbindet, genau der Richtige.
Ihr vorangegangener Film war »Bauernoper: Spiel der Könige«, bei dem sich die Action auf einem Schachbrett abspielte. Ich nehme an, der war schwieriger zu produzieren als »Jack Reacher«?
Ja, so etwas wollen die Studios heutzutage nicht mehr machen, das war dementsprechend eine unabhängige Produktion, mit kleinem Budget gedreht. Das Klima in Hollywood für Stoffe, die erwachsen, komplex oder intellektuell sind, ist schlechter geworden. Solche Stoffe werden heute viel eher im Bezahlfernsehen thematisiert.
Sie sind bekannt geworden durch Filme, die kontroverse Themen behandelten, zugleich aber Actionmomente beinhalteten und zudem mit Stars wie Bruce Willis oder Denzel Washington besetzt waren. War das ein Konzept, den Geschmack der bitteren Pille zu versüßen?
Es heißt nicht umsonst das Filmgeschäft – die kommerzielle Natur gerade in Hollywood leugnen zu wollen, wäre närrisch. Das ist ein Drahtseilakt zwischen den eigenen Ansprüchen und dem Wunsch, genügend zahlende Zuschauer zu erreichen. Manchmal ist mir das geglückt, manchmal nicht.
Ohne die großen Namen vor der Kamera währen diese Filme nie zustande gekommen?
Nein, kein »Ausnahmezustand« ohne Denzel Washington, kein »Blood Diamond« ohne Leonardo DiCaprio. Heutzutage wollen die Studios solche Stoffe aber selbst mit Stars nicht mehr machen.
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