Kritik zu Welcome to Norway
Die Komödie aus Norwegen operiert nah an der Wirklichkeit: Ein scheiternder Geschäftsmann will sich unter Ausnutzung von Flüchtlingen gesundstoßen. Immerhin geht es um einen Lernprozess
Der Norweger Primus ist einer jener sympathischen Verlierer, die das Kino seit langem bevölkern, ein Mann, der sich bereits in vielen Jobs versucht hat, ein Stehaufmännchen mit immer neuen Geschäftsideen, die regelmäßig in der Pleite enden. Der dann aber schon die nächste grandiose Idee hat. Das ist eine Lesart. Die andere: Primus ist ein Geschäftemacher, dessen jüngste Idee es ist, das Flüchtlingsproblem in klingende Münze umzusetzen. Zuletzt hat er mit seinem Hotel in der norwegischen Gebirgseinöde Schiffbruch erlitten. Da kommen ihm die Flüchtlinge, die er hier einquartieren will, gerade recht, könnten sie doch den Hotelbau kostengünstig (oder gar ohne jegliche Lohnkosten) vollenden und könnte Primus sich darüber hinaus mit Hilfe staatlicher Zuschüsse sanieren.
»Welcome to Norway« bezieht seinen Witz aus der Wirklichkeit: In Norwegen gab es tatsächlich ein Brüderpaar, das mit diesem Geschäftsmodell, in großem Maßstab aufgezogen, Millionen scheffelte. Geht die Komik anfangs noch auf Kosten der Flüchtenden, die Einzelzimmer verlangen, auf strikter Trennung bestehen (Christen – Muslime, Schiiten – Sunniten) und vorrangig an Flachbildfernsehern und Playstations interessiert zu sein scheinen, so konzentriert sich der Film bald vorrangig auf die Figur von Primus und seine tragikomischen Versuche, unter Einsatz geringster Mittel Profit zu erwirtschaften.
Wobei er sich ein ums andere Mal übernimmt, etwa wenn er statt des versprochenen Buffets tiefgekühltes Brot serviert, das er zuvor mit einer Motorsäge portioniert. Das alles vollzieht sich unter den skeptischen Blicken seiner Ehefrau Hanni, die ihre Tage fernsehend im Bett verbringt und ihr Gewissen damit beruhigt, dass sie einen Jungen in Lateinamerika mit einem monatlichen Geldbetrag unterstützt. Primus’ Tochter Oda dagegen ergreift sofort beherzt die Initiative und bringt Mona, eine junge Frau aus dem Libanon, in ihrem eigenen Zimmer unter.
Der einzige der fünfzig Flüchtlinge, der Norwegisch spricht und deshalb für Primus unverzichtbar wird, ist Abedi aus Eritrea: Als Dolmetscher und als Primus’ Assistent ist er derjenige, der den Laden am Laufen hält. Sieht man von Mona und dem ägyptischen Ingenieur Zoran ab, deren Geschichten ansatzweise erzählt werden, so ist Abedi der einzige Flüchtling, der Profil gewinnt: nicht durch seine Geschichte – die man als Zuschauer erst spät erfährt –, sondern wegen seiner Freundlichkeit, seiner Hilfsbereitschaft und seiner Beobachtungsgabe. Er erscheint in jeder Hinsicht als eine Ausnahme unter den Flüchtlingen, aber auch als Gegenfigur zu Primus selber. Denn im Mittelpunkt des Films stehen eben nicht die Flüchtlinge, sondern der Norweger Primus. Es geht um seinen Lernprozess. Tatsächlich trifft Primus am Ende eine Entscheidung, die man ihm so am Anfang nicht zugetraut hätte.
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