Kritik zu Closet Monster
Regiedebütant Stephen Dunn erzählt auf so einfallsreiche und bezaubernde Weise vom Coming-out eines schwulen Teenagers, dass man geradezu vergisst, wie oft man eine solche Geschichte schon gesehen hat
Coming-out-Geschichten gibt es seit jeher wie Sand am Meer, und tatsächlich fragt man sich manchmal, wie viele mehr die Welt noch braucht. Was einer der Gründe dafür ist, dass ein Film wie etwa der im November anlaufende »Die Mitte der Welt« (nach einem Roman von Andreas Steinhöfel) eine wirklich besondere Ausnahmeerscheinung darstellt: die Geschichte eines schwulen Jugendlichen, der mit seiner sexuellen Identität im Reinen ist und seine erste große Liebe mit einer erfrischenden Selbstverständlichkeit erlebt. Davon kann nun in Stephen Dunns »Closet Monster« keine Rede sein. Doch siehe da: Der Qualität des Films, der im vergangenen Jahr beim Festival in Toronto Premiere feierte und dort als bester kanadischer Film ausgezeichnet wurde, tut das keinen Abbruch.
Im Debüt des Kanadiers Stephen Dunn ringt Oscar (Connor Jessup) mit seinem Schwulsein, seit er als kleiner Junge Zeuge eines homophoben Überfalls wurde. Auch kurz vor seinem Highschool-Abschluss hadert er noch mit sich selbst. Als er beim Jobben im Baumarkt den ebenso verführerischen wie undurchschaubaren Wilder (Aliocha Schneider) kennenlernt, führt das natürlich unweigerlich zu ebenso großen Gefühlen wie Schwierigkeiten, doch die von keiner Seite aufgearbeitete Trennung seiner Eltern (Aaron Abrams und Joanne Kelly) lastet mindestens genauso schwer auf seiner Psyche.
Was »Closet Monster« so ungewöhnlich macht in der langen Reihe der Coming-out-Filme, ist die Art und Weise, wie der Regisseur und Drehbuchautor – der spürbar weiß, wovon er spricht – sie erzählt. Hier ist nichts spröde oder von Zurückhaltung geprägt, stattdessen atmet der berührend-bezaubernde Film magischen Realismus (Oscars engster Vertrauter ist ein von Isabella Rossellini gesprochener Hamster!), Euphorie und Herzblut.
Das erinnert bisweilen, von den knalligen Farben bis hin zum üppigen Elektropop-Soundtrack, an die Filme des ebenfalls schwulen Landsmannes von Dunn, Xavier Dolan. Eine Parallele, die übrigens bis zur Besetzung des hübschen Angebeteten reicht, denn Aliocha Schneiders ebenfalls blond gelockter großer Bruder Niels stand bereits zwei Mal für Dolan vor der Kamera und spielte in dessen Herzensbrecher eine ganz ähnliche Rolle. Ein müder Abklatsch ist »Closet Monster« dennoch bei weitem nicht, dafür sind die hier verhandelten Gefühle viel zu wahrhaftig – und ist das Drumherum (bis hin zu Oscars hartnäckigem Verfolgen einer Karriere als Spezialeffekt-Make-up-Experte in der Filmbranche) von Dunn zu einfallsreich und stimmig ausgeschmückt. Ganz zu schweigen davon, dass Jessup, der sich schon in der hervorragenden zweiten Staffel von »American Crime« bestens darauf verstand, ohne viele Worte das Leiden eines schwulen Teenagers zu porträtieren, in der Hauptrolle auf ganzer Linie überzeugt.
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