Interview mit Robert Eggers über seinen Film »The Witch«
Foto: »Robert Eggers«
Frank Arnold im Gespräch mit Robert Eggers zu seinem Film »The Witch«
Mr. Eggers, wie schwierig war es, diesen Film zu machen?
Es hat lange gedauert, den Film zu finanzieren. Hätte ich den Film billiger gemacht, hätte ich ihn sehr viel schneller produzieren können. Auch wenn er teurer aussieht als er war, hatte ich doch meine eigene Arbeitsweise, wozu es u.a. gehörte, die Farm zu bauen und Schauspieler aus Großbritannien zu engagieren - auch wenn sie nicht das Englisch des 17 Jahrhunderts sprechen, war es doch wichtig, dass ihre Sprechweise dem nahekam. Die Eltern-Darsteller kannte ich von früheren Arbeiten – Kate Dickie aus Andrea Arnolds »Red Road«, Ralph Ineson war mir im britischen Fernsehen aufgefallen, ich mochte immer seine Stimme und sein Gesicht -, aber für die Darsteller der Kinder suchte mein Casting Director im ganzen Norden Großbritanniens.
Sie selber wuchsen in New England auf. Waren diese Erzählungen ein Teil Ihrer Kindheit? Es sind nicht gerade Geschichten, die man Kindern zum Einschlafen vorliest…
Das stimmt, aber man bekommt etwas mit davon, man hört davon in der Schule und diese alten Städte in New England haben alle diese verfallenen Häuser in den nahegelegenen Wäldern. Als Kind glaubte ich, die Wälder hinter unserem Haus seien bewohnt von Geistern und Hexen, meine frühesten Träume waren Albträume über Hexen, einige der Bilder im Film basieren auf der imaginären Welt meiner Kindheit.
Obwohl das Ende des Films mit der Hexenversammlung recht explizit ist, stellte ich mir vor, dass all die Szenen mit den Hexen nur in der Fantasie der Kinder existieren könnten.
Genau. Manche Leute haben mir vorgeworfen, ich hätte mich nicht entscheiden können, aber meine Absicht war immer, dass man es so oder so lesen könnte.
Lassen Sie uns über das bemerkenswerte Sound Design sprechen. Es gibt ein musikalisches Stück, das mich an jenen Moment in Kubricks "2001" erinnerte, wenn der Monolith zum ersten Mal ins Bild rückt. Ich glaube, das war ein Stück von Ligeti. Wurden Sie davon beeinflusst?
Der Score wurde beeinflusst von Streichmusik des 17. Jahrhunderts, Lieder aus der Zeit, aber auch von Ligeti und Penderecki. Der Film bemüht sich, das 17. Jahrhundert akkurat darzustellen, aber es gibt auch in der Musik des 20. Jahrhunderts etwas, das bestimmte Gefühle ausdrückt, wie es der Musik früherer Jahrhunderte noch nicht möglich war.
Die Darsteller sind alle phantastisch, von den jüngeren Geschwistern bis zu den Eltern. Wie haben Sie mit Ihnen gearbeitet?
Wir hatten eine Woche Proben vor Drehbeginn, aus vielen Gründen: zum einen mussten sie lernen, wie man Ziegen melkt und Korn drescht. Zum anderen war unsere Drehzeit mit 26 Drehtagen sehr knapp bemessen, zugleich die Kameraarbeit sehr spezifisch und herausfordernd in den Kamerabewegungen, die nie künstlich wirken sollten. Und nicht zuletzt mussten sie glaubhaft sein als Familie – der Zuschauer soll merken, dass sie einander lieben, umso schmerzhafter ist es dann, wenn sie auseinandergerissen werden. Bei den Erwachsenen brauchte ich nicht nur gute Schauspieler, sondern auch gute Menschen, die die Kinder beschützen konnten, Mit ihnen und mit Anya, die Thomasin verkörpert, gingen wir an psychologisch sehr dunkle Plätze. Die Kinder dagegen hatten mehr ein Gefühl wie Disneyland, was ich persönlich hasse, aber sie brauchten das. Dann gab es Methoden, die von Bresson entlehnt waren und die Arbeit mit Puppen. Wenn Harvey, der damals zwölf war, bei der Szene der Besessenheit um deren sexuellen Subtext gewusst hätte, hätte er sie nie spielen können, er hätte sich geschämt.
Er darf den Film also noch gar nicht im Kino sehen?
Wir haben ihn seinem Vater gezeigt, der sein OK gab, in den USA hat der Film ein ‚R’-rating, wie es in Großbritannien aussieht, weiß ich nicht.
Im Nachspann liest man einige prominente Namen, u.a. Chris Columbus, Wie sind Sie mit ihm zusammengekommen?
Einer unserer Investoren ließ uns frühzeitig im Stich, so hatten wir die ganze Zeit eine Finanzierungslücke. Chris und seine Tochter Eleanor haben eine Firma, die jungen Regisseuren hilft, so zeigten wir ihm eine Schnittfassung vor der Premiere in Sundance 2015. Der gefiel ihm, so gab er uns das Geld. Er hatte, genau wie die Investoren, das Gefühl, das könnte durchaus ein Film für ein großes Publikum sein – und damit kennt er sich ja aus. A 24, der Verleih, der den Film in den USA herausbrachte, war derselben Auffassung, platzierte ihn gleich auf 2000 Leinwänden und stockte dann auf 3000 auf.
Wie weit hat sich der Film während des Drehs und im Schneideraum noch verändert?
Die erste Rohschnittfassung hatte eine Länge von 97 Minuten, die finale Fassung ist 93 Minuten lang, das sagt schon einiges darüber aus, wie genau wir vorbereitet waren. Das mussten wir schon aus finanziellen Gründen machen. Storyboards hatten wir nur bei einzelnen Sequenzen, etwa dem Anfang, wenn die Familie die Siedlung verlässt. Da benötigten wir viele Statisten, ich musste vorher also genau wissen, wie viele Schuhe etc. ich brauchte. Außerdem machten wir Storyboards für alle Szenen mit Effekten. Ein Problem war allerdings der Ziegenbock, ich wollte keine Tiere aus dem Computer, obwohl mir einige erfahrene Regisseure dazu rieten. ‚Black Philip’ hat sich in den USA allerdings zu einer Sensation entwickelt, es gibt ‚Black Philip’-T-Shirts und Tattoos – ich denke, das hängt auch damit zusammen, dass er echt ist, denn die Menschen sind es nicht mehr gewöhnt, echte Tiere auf der Leinwand zu sehen.
Sie wurden stark beeinflusst von der Malerei. Haben Sie dafür recherchiert oder war das schon immer ein Interesse Ihrerseits?
Letzteres. Wenn man jemand in Kleidung des 17. Jahrhunderts in der Nähe eines Fensters platziert, sieht es aus wie Vermeer. Der Kameramann und ich lieben auch bestimmte Illustratoren wie Arthur Rackham.
Haben Sie Sich auch bestimmte Filme zur Vorbereitung angesehen, etwa Nicolas Hytners »Hexenjagd«?
Ich habe vor allem mit Historikern zusammengearbeitet, in Salem veranstalteten wir ein Panel mit ihnen, und sie waren sich darüber einig, dass diese das akkurateste Porträt dieser Zeit darstellte.
Zeigten Sie den Schauspielern bestimmte Filme zur Vorbereitung?
Da die Kinder nichts über die US-Geschichte wussten, zeigte ich ihnen dokumentarisches Material, den Frauen auch etwas über Amish-Frauen, wie sie stricken.
Sie haben zuvor am Theater gearbeitet…
Zuerst als Regisseur – experimentelles und Straßentheater in New York Ich habe immer die Sets und die Kostüme entworfen, einmal auch Goethes „Faust“ als Straßentheater mit ziemlich ausgefallenen Kostümen. Diese Produktion sah eine 70jährige Regisseurin, die mir daraufhin anbot, Kostüme und Sets für sie zu entwerfen. Ich stellte fest, dass ich damit meinen Lebensunterhalt verdienen konnte, beim Theater und beim Film. Am Ende machte ich das vor allem für Modeschauen, weil das am besten bezahlt wurde im Verhältnis zu der kurzen Arbeitszeit. Das erlaubte es mir, mich auf das Schreiben von »The Witch« zu konzentrieren.
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