Kritik zu Crosby, Stills, Nash & Young – Déjà vu
Neil Young dokumentiert seine »Freedom of Speech«-Reunion-Tour mit Crosby, Stills & Nash
Wer einen reinen Musikfilm erwartet, dürfte von »CSNY Déjà vu« enttäuscht sein. Da werden die Songs kaum ausgespielt, eingeblendete Musikkritiken hauen die Band in Grund und Boden, die Musiker tragen ihre Lieder eher statuarisch vor, und auf die großen Hits wartet man auch vergebens. Aber vielleicht sind das die falschen Erwartungen. Im Jahr 2006 hatte Neil Young seine CD »Living With War« herausgebracht. Er sang gegen den Irakkrieg und vor allem gegen den Präsidenten George W. Bush: »Let’s Impeach the President« hieß einer der Songs auf der Scheibe: Setzen wir den Präsidenten ab. Musikalisch war das in nur zwei Wochen geschriebene Album sägender, mitreißender, rhythmischer Gitarrenrock.
Young war diese CD so wichtig, dass er sie schon vorher im Internet veröffentlichte. Und im Sommer 2006 tourte er mit David Crosby, Stephen Stills und Graham Nash mit diesem Songmaterial, aber auch älteren Liedern, durch die USA. Und Neil Young selbst hat diese »Freedom Of Speech«-Tournee unter dem Pseudonym »Bernard Shakey« dokumentiert. »Living With War« sollte auch so etwas sein wie die Beschreibung eines Landes – eines Landes im Krieg. Young sang nicht nur gegen den Präsidenten, er sang von den Männern, die in den Krieg ziehen und von den heimkehrenden Toten. Und die Stimmung dieser Monate fängt die Tour-Doku ein, die auch die Spaltung zeigt, die durch das Land geht. In Atlanta etwa reagiert ein Teil des Publikums empört auf den Anti-Bush-Song, mit Buhs und Fuck-Gesten, bis sie von den anderen übertönt werden. Kommentare von Mike Cerre, der als Reporter die Tournee begleitete und über den Irakkrieg berichtete, Interviews mit Veteranen und Aufnahmen von Josh Hisle, der schon während seiner Dienstzeit Lieder schrieb und vortrug, erweitern die eminent politische Stoßrichtung dieses Films.
»Déjà vu« war die zweite Platte von Crosby, Stills und Nash und die erste mit Neil Young. Die vier haben die Protestbewegung der späten sechziger und frühen siebziger Jahre musikalisch begleitet, mit Songs wie »Ohio« zum Beispiel, über die vier von der Nationalgarde erschossenen Studenten an der Kent State University in Ohio. Und so ist die »Freedom of Speech«-Reunion-Tour auch tatsächlich ein Déjà-vu: wie eine der großen Protestbands der Antikriegsbewegung der sechziger Jahre wieder in ihre eignen Fußstapfen tritt. Sie glauben vielleicht nicht mehr, dass Musik etwas verändern kann – aber daran, dass jemand es aussprechen muss. Das Peacezeichen hängt immer noch über der Bühne. Doch auch wenn CSNY an ihre große Zeit anknüpft – sie können das Rad nicht zurückdrehen. Auch optisch nicht. Den »glatzköpfigen Hippiemillionären«, wie es in einem Artikel heißt, sieht man ihr Durchschnittsalter von 62 Jahren durchaus an, und so mancher Bauch muss durch ein weites Hemd kaschiert werden. Das hat indes etwas Grundsympathisches, weil man merkt, dass diese Altrocker den Jugendkult und Körperwahn rüstiger Poprentner à la Rolling Stones nicht mitmachen. Aber rocken können sie immer noch.
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