Kritik zu Ixcanul – Träume am Fuße des Vulkans
Die Geschichte von Maria, einer Maya-Schönheit, ist eigentlich ein Melodram, doch die Laienbesetzung mit indigenen Darstellern erzählt etwas anderes
Der Hochzeitsschmuck macht noch keine Braut. So viel will uns die berückend schöne Einstellung der jungen Maya-Braut sagen. Hinter dem niedergeschlagenen Blick, dem lethargischen Ausdruck verbirgt sich die ganze tragische Geschichte, die alsdann in der rückwärtsgewandten Filmerzählung aufgerollt wird. Unvermittelt fällt das ohrenbetäubende Geschrei des Hausschweins dem andachtsvollen Bild in den Rücken und führt die armselige Lebenswirklichkeit der indigenen Bevölkerung in der kargen guatemaltekischen Vulkanlandschaft vor Augen und Ohren. Maria soll bald heiraten, um ihre eigene Existenz und die ihrer Eltern zu sichern; der Bräutigam, ein Witwer mit einem gesicherten Einkommen, der Vorgesetzte des Vaters, steht schon bereit. Ob sie ihn liebt – danach wird nicht ernsthaft gefragt; Maria quält sich folgsam ein Lächeln aufs Gesicht. Doch am Abend wirft sie sich einem Nichtsnutz von Erntehelfer an den Hals, in der Hoffnung, er würde sie nach Amerika mitnehmen. Ein Traumland mit großen Häusern mit Gärten, Autos und einer funktionierenden Elektrizität. Aber Maria will wissen, wie es dort riecht. Sie kennt nur die Gerüche des Vulkans und der Kaffeeplantage und die Gefahr, die von den Schlangen in den Feldern droht. Geschwängert stürzt sie ihre Familie ins Unglück. Kein Vulkanopfer, kein Schamane kann verhindern, dass Maria auch noch von einer giftigen Natter gebissen wird. Das Ende scheint nah.
So verkürzt hört sich die Leidensgeschichte dieser jungen Frau wie ein Schauermärchen an. Aber es ist die bittere Armut, die Unwissenheit der Landbevölkerung, dazu Ausbeutung und Rechtlosigkeit, die sie ins Elend stürzen und Veränderung verhindern. Die bildschönen langen Einstellungen des Films lenken nicht von den traurigen Lebensumständen dieser Menschen ab; zu schnell schiebt sich das Elend vor den fremdartigen Reiz der Landschaft, vergällt die allgegenwärtige Hilflosigkeit den neugierigen Blick. Hier herrscht die grausame Natur. Die Hilfsmittel, um sich gegen Missernten und Schädlinge zu schützen, sind unzureichend und veraltet. Auch in der aus Latten zusammengenagelten Hütte, dem Lebensraum, in dem die Familie Seite an Seite ihr Nachtlager aufschlägt, ist sie mehr ausgeliefert als behaust. Eine hoffnungslose Gemengelage.
Regisseur Jayro Bustamente ist hier aufgewachsen, in einer privilegierten Familie, aber er lernte bei den medizinischen Kampagnen seiner Mutter die abgeschieden lebenden Maya-Familien kennen, in denen nicht einmal Spanisch gesprochen wird. Wie sehr sie allein dadurch dem Missbrauch, auch durch die Behörden, ausgeliefert sind, der bis zum Raub von Maya-Kindern geht, zeigt er in seinem Film in aller Deutlichkeit. Warum das Gesicht der jungen Maya-Frau nicht die Spur eines Lächelns oder den Anflug einer freudigen Erwartung zeigt, braucht zum Schluss keine explizite Erklärung mehr. Die Mutter legt Maria den Brautschmuck an, flicht ihr die Blumen ins pechschwarze Haar – das Bild einer Königin aus uralter Zeit. Der Film gibt ihr eine Würde zurück, die auch in der modernen Welt mit Füßen getreten wird.
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