37. Max Ophüls Preis Saarbrücken
Nachrichten aus Saarbrücken. Zuerst die gute: Das dem deutschsprachigen Nachwuchsfilm gewidmete Filmfestival Max Ophüls Preis präsentierte in diesem Jahr einen hervorragenden Wettbewerb. Und die schlechte: Festivalleiterin Gabriella Bandel geht
Das Kino ist ein künstlerisches Medium, das wie kein anderes vom Leben in der Möglichkeitsform erzählen kann, das die Realität gewissermaßen als Versuchsanordnung präsentiert. Johannes Schmid hat mit »Agnes«, der Verfilmung eines Romans von Peter Stamm, beim Ophüls Preis einen Film präsentiert, der sich gekonnt zwischen Realität und Fiktion hin und her bewegt, der Fährten auslegt und dann doch die Spur verliert. Es beginnt wie eine klassische boy meets girl-Geschichte: Der Sachbuchautor Walter lernt in der Universitätsbibliothek die Studentin Agnes kennen. Von Anfang an umgibt etwas Rätselhaftes die junge Frau, sie hat etwas Distanziertes und sucht doch die Nähe, sie stellt gerne Fragen nach den letzten Dingen. Als sie herausbekommt, dass Walter sich früher auch mal mit Kurzgeschichten versucht hat, schlägt sie ihm vor, eine Geschichte über sie beide zu schreiben, die bald ihre Eigendynamik gewinnt. »Agnes« war sicherlich der souveränste Film des Wettbewerbs, perfekt erzählt und platziert in einem kalten Düsseldorf. Odine Johne hat dafür, immerhin, den Preis als beste Nachwuchsdarstellerin gewonnen.
Mit dem Max Ophüls Preis zeichnete die Jury den österreichischen Beitrag »Einer von uns« von Stephan Richter aus, der in ruhigen, fast spröden Bildern die Erschießung eines Jugendlichen durch die Polizei in einem Supermarkt in der Provinz rekonstruiert. Sicherlich keine falsche Entscheidung – vor allem in der Beschreibung der Perspektivlosigkeit setzt »Einer von uns« Maßstäbe. Aber so ganz passte er nicht zu dem großen Thema, das den 37. Max Ophüls Preis prägte: Menschen, vor allem Frauen, die aus ihrem Leben herausfallen. Die in einer Krise sind, aus der sie nur selbst wieder herausfinden können. In »Ferien« von Bernadette Knoller nimmt die junge Juristin Vivi (Britta Hammelstein) eine Auszeit auf einer friesischen Insel, quartiert sich beim Zimmermädchen ihres Hotels ein, kümmert sich um deren Sohn und arbeitet in einem seltsamen Laden voller Inselfundstücke für einen noch seltsameren »Forscher«. Und das Sinnbild eines gestrandeten Wals spielt auch noch eine Rolle. Weniger skurril geht es in »Luca tanzt leise« von Philipp Eichholtz zu, dem einzigen Improvisationsfilm des Wettbewerbs, in dem eine Mittzwanzigerin nach einigen Drogenjahren das Abi nachmacht. In »Looping« ist es eine psychiatrische Anstalt, in der sich die Lebenswege von drei Frauen (Jella Haase, Lana Cooper, Marie-Lou Sellem) kreuzen. Und dass in »Fado« Doro (Luise Heyer) ausgerechnet in Lissabon als Architektin arbeitet, wirkt auch wie eine Flucht vor ihrem manisch eifersüchtigen Exfreund Fabian (Golo Euler). Er will die Beziehung wieder kitten – scheitert aber an sich selbst. Jonas Rothlaender und sein Kameramann Alexander Haßkerl haben diesen Zwischenzustand in den dunklen Farben der Nacht fotografiert und immer wieder mit Reminiszenzen an das Lissaboner Erdbeben des Jahres 1755 unterlegt, das quasi in den Film hineinbebt.
Schon lange hat man keinen so guten Festivaljahrgang in Saarbrücken gesehen – einen Jahrgang, der das junge deutsche Kino in seiner ganzen Variationsbreite vorführt. Selbst die populär gedachten Filme – womit sich das deutsche Kino ja besonders schwertut – überzeugten. »Schrotten!« etwa von Max Zähle ist eine Familienkomödie, in der sich die Geschichte vom verlorenen Sohn kreuzt mit den »Abfahrern« und dem Überfall auf den Gold Coast Flyer in »Archie und Harry«. Beeindruckend war auch das politische Kino vertreten, mit dem luxemburgischen Eine neue Zeit und dem Schweizer Kollektivwerk »Heimatland«. Auch das ein Film, der auf eine ganz eigene Weise in der Möglichkeitsform erzählt: Gezeigt wird, wie eine merkwürdige Wolke über der Schweiz schwebt und das ganze Leben lahmlegt. Aus der Dystopie wird schnell ein Kommentar zur aktuellen Flüchtlingsproblematik: Wenn Deutschland die Grenzen zur Schweiz dichtmacht...
Es war der letzte Wettbewerb, den Gabriella Bandel ausgerichtet hat. Seit 17 Jahren arbeitet sie beim Ophüls Preis mit, die letzten zwei Jahre hat sie ihn selbst verantwortet. Was genau sie zum Aufgeben gezwungen hat – von gescheiterten Vertragsverhandlungen war die Rede – drang nicht an die Öffentlichkeit. Gegen ihren (erzwungenen?) Weggang haben der ehemalige Festivalleiter Boris Penth und der Regisseur Hans W. Geißendörfer protestiert. Ende Februar wollen die Verantwortlichen einen Nachfolger aus dem Hut zaubern. Die Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (die Stadt Saarbrücken gibt etwa 330 000 Euro zum Festivalbudget von einer Million) ist für diese rot-grüne Kulturposse bei der Preisverleihung ausgebuht worden.
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