Kritik zu Frohe Zukunft
14 Jahre nach der Wende suchte Bianca Bodau Menschen, die sie ge- und ertragen haben. Zwölf davon, drei Familien und vier Generationen, porträtiert sie in ihrem Dokumentarfilm
»Frohe Zukunft« ist ein 1955 entstandenes Wohngebiet im Nordosten von Halle. Man lebt dort stadtnah in ländlicher Idylle und unmittelbarer Nachbarschaft der Händelfestspiele. Dass Bianca Bodau ihren Film, der vor allem die Suche nach Heimat beschreibt, nach diesem, im Westen eher unbekannten Stadtteil benannt hat, ist nur einer der vielen Fallstricke, die man beim oberflächlichen Betrachten leicht übersieht. Ihr Film erklärt viel, aber längst nicht alles.
Bodau ist selbst ein Kind der untergegangenen Republik und hat weder den Ostalgie-Hype noch die einfache Abwicklung einer 40-jährigen Geschichte verstanden. Im Gegenteil. Sie war zur Zeit der Wende 25 Jahre alt und hatte bereits ein eigenes Leben, in dem sie die neue Freiheit, die der Westen versprach, begrüßte. Doch weder lassen sich Pioniernachmittage, Jugendweihe und der sozialistische Alltag so leicht abstreifen, noch gibt es dafür ein Patentrezept. Ihr Vater, zu DDR-Zeiten Leiter einer Waffenwerkstatt der Volksmarine, übergab seinen Job an die Bundeswehr. Für ihn, den Parteigenossen, war darin kein Platz mehr. Auf Arbeitslosigkeit folgte Alkoholsucht, Ehescheidung und sozialer Abstieg und schließlich ein unwürdiger Tod in Karlsruhe. In der leeren West-Wohnung der Eltern beginnt Bodaus Film mit der Frage, wie es den anderen Familien gegangen ist, den vielen normalen Durchschnittsbürgern der DDR, die weder besonders gut, noch besonders schlecht ins neue System starten mussten. So wird aus Frohe Zukunft ein Stück über die bewältigte Vergangenheit, und zwar die nach der Wende, jener merkwürdigen Stunde Null, die gesellschaftlich entstand, obwohl es zuvor keinen Krieg gegeben hatte.
»Frohe Zukunft« ist ein Film, der sich rückblickend mit den guten Aussichten befasst, die vielen, wie ihrem Vater, naturgemäß erst mal Angst machten. Er zeigt, dass ein Zwangsregime, wie das der DDR, eben auch eine große Sicherheitszone ist, in der Entscheidungen nur sehr reduziert gefällt werden müssen. Zwischen Wegducken, Abwarten und einem fatalen Aktionismus bewegen sich die verschiedenen Biografien, denen jedoch allen eines gemeinsam ist: Während der Westen sich über den Solidaritätszuschlag mehr oder weniger ärgerte, galt es im Osten, eine Form des Überlebens zu finden, die mit der Vergangenheit möglichst nichts mehr zu tun hatte.
Der erfolgreiche ökonomische Direktor eines Holzkombinats zum Beispiel, der mit der nachgelassenen Firma etwas Eigenes anfangen will und erschüttert feststellen muss, dass sich Marktwirtschaft auch gegen einen wenden kann, oder die parteitreue Chemielehrerin, die mit ansieht, wie Kolleginnen weiter Geschichte unterrichten und sie entlassen wird. Dabei bleibt H2O doch H2O während sich das historische Bewusstsein deutlich ändert, und schließlich der NVA-Offizier, der als Versicherungsvertreter arbeitet, dabei alles verliert, seine Familie, seine Freunde, sein Umfeld, und den Schritt ins neue System schließlich doch schafft. Scheinbar wahllos stellt Bodau diese Lebensläufe nebeneinander und kann im Kontrast genau das finden, was die DDR bis zu ihrem Untergang ausgezeichnet hat. Kein Rückblick in Zorn oder Nostalgie, sondern das gelungene Ergebnis einer Suche.
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