Kritik zu Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat
Bryan Singer dreht mit Tom Cruise einen Film über den deutschen Widerstand. Als Schachspiel und Comic
»Operation Walküre« entstand »nach einer wahren Geschichte«. Das sollte Warnung und Beruhigung sein: Es ist ein Film, der sich der Geschichte des Oberst Stauffenberg und seines gescheiterten Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 bedient. Kein Film mit dem Ehrgeiz, diese Geschichte historisch genau wiederzugeben, sie neu zu bewerten. »Operation Walküre« will zunächst einmal nach den Regeln von Suspense, Continuity, Effekt und Emotion funktionieren. Alles andere findet sich eine semiotische Schicht tiefer.
Das Problem dabei ist freilich, dass sich dieser Film nicht an irgendeiner Geschichte aus der Historie bedient, sondern an einem nationalen Mythos. Der 20. Juli ist die Erzählung des Widerstands, auf die sich die deutsche Nachkriegsgesellschaft geeinigt hatte. Und wie es bei nationalen Mythen der Fall zu sein pflegt: Allzu genau darf man die Helden und ihre Motive nicht ansehen. Deshalb wird eine solche Erzählung gehütet. Sie darf nicht Kolportage, Schundroman, Trash und Pop werden. Sie darf nicht »von außen« gesehen, nicht aus dem nationalen Besitz entwendet, »entlarvt« werden. Und sie darf nicht von einer anderen Art Ideologie besetzt werden. Gegen alle diese Gebote des nationalen Mythos verstößt nun Bryan Singers Film, und er belegt, dass in der globalen Pop-Kultur nationale Mythen nicht mehr sicher sind.
Singer hat sich durch trickreiche Krimis und vor allem nicht unintelligente Comicverfilmungen einen Namen gemacht. Genau so funktioniert auch sein Stauffenberg-Film: Als kühle Konstruktion eines sehr großen Coups. Und als Auflösung des Geschehens in Bildern mit klaren Strukturen und hohem Zeichenwert. Fast alles in diesem Film wird in gebrochenen Perspektiven, extremen Naheinstellungen, kantigen Schnitten erzählt. Der Mythos fließt nicht, er wird zerhackt.
Worum es geht, das ist in der Tat die Planung und Ausführung nicht nur eines Attentats, sondern vor allem eines Staatsstreiches. Der Oberst Graf von Stauffenberg des Tom Cruise ist so wenig in seinem menschlichen und politischen Werdegang »erklärt«, wie er um Sympathie buhlt. Er ist der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort, aber gebrochen und versteinert wie Randolph Scott in einem Budd-Boetticher-Western. Der Mann, der tut, was getan werden muss, der X-Mann unter andern X-Männern, ist nicht erfüllt. Nach seiner Verwundung in Afrika erkennt dieser Stauffenberg, dass er selbst die Sache durchziehen muss, in einer Welt der Zögerer und Korrupten. Stauffenberg/Cruise agiert wie ein Agent, ein Mann mit wenigen Eigenschaften – der Suspense entsteht hier nicht aus der Identifikation mit der Figur, sondern aus dem fast kühl dargebotenen Spiel. Die Tragödie ist, es hätte klappen können. Sie liegt in der Geschichte, nicht der Person, und darin liegt der radikalste Bruch mit dem Mythos.
Doch wenn der Film zugleich als Schachspiel und Comicstrip funktioniert, soll das nicht heißen, er habe keine emotionalen Momente. Sie sind allerdings verdichtet in Gesten, im Gebrauch von Symbolen. So wird sehr konsequent mit der Einäugigkeit des Helden gespielt. Auch die übrigen Verwundungen sind Metaphern, und als er einmal streng aufgefordert wird, den Hitlergruß zu erwidern, reckt Stauffenberg seinen Arm mit dem Stumpf empor. Es ist kein »ganzer Mann«, der gleich zwei Rollen übernehmen muss: als Mann der Tat das Attentat ausführen, als Mastermind der Verschwörung die Entmachtung der Gegenspieler durchführen.
Von da an gibt es die unterschiedlichsten Lesarten. Western, Lehrbeispiel für den gut geplanten Staatsstreich, Gruppendynamik statt Individualpsychologie (Howard Hawks statt Leni Riefenstahl), aber auch die Veräußerung des Mythos, große Oper. Manchmal werden die Hinweise viel intelligenter gegeben, als es das Genrehafte der Oberfläche erweisen will. Stauffenberg kann von Hitler die Unterschrift unter den Walküre-Plan nur ergattern, weil er die Zustimmung über dessen Leidenschaft für die Opernwelt Wagners erlistet. Damit wird der immer wieder zitierte Subtext verbindlicher, als nur als Kolorit zu wirken. Überrascht wird sein, wer die Elemente der »Walküren«-Oper mit dem Plot und den Charakteren des Films abgleicht!
Und der »Skandal«, den der Film im Vorfeld ausgelöst hat? Die Empörung über die Hollywoodisierung der deutschen Geschichte, über den Scientologen in der Rolle des deutschen Widerstandshelden, die »Entweihung« der Originalschauplätze, all das Raunen zu einem Attentäter, der nicht war, was man einen aufrechten Antifaschisten nennen könnte? Das ist eine ganz andere Geschichte. Mit Bryan Singers Film hat sie wenig zu tun.
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