Nachruf: Roger Corman

Quick, dirty, independent

5.4.1926 – 9.5.2024

Legendär ist die Geschichte, wie er mit einem Studiomitarbeiter eines Abends durch Kulissen schlenderte und erfuhr, dass diese noch einige Tage stehen bleiben würden. So entstand nach einem Drehbuchbrainstorming mit dem Autor Charles B. Griffith im Diner in einer Drehzeit von zwei Tagen und einer Nacht 1960 »The Little Shop of Horrors«. 

Der studierte Ingenieur Roger Corman war (fast) immer auch ein kluger Geschäftsmann. 1957 führte er zum ersten Mal Regie und zeigte ein Gespür für das, was das junge Publikum der Drive-in-Kinos sehen wollte: Horror und Science-Fiction, Western, youth movies. Neun 
Jahre später war er noch näher am Puls der Zeit mit »The Wild Angels« (25 Millionen Dollar Einspiel bei einem Budget von 360.000) und dem psychedelischen Drogenfilm »The Trip«. Für den schrieb Jack Nicholson, der als masochistischer Zahnarztpatient in »The Little Shop of Horrors« eine frühe Talentprobe gab, das Drehbuch. Nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera war Corman bei »The Terror« aktiv gewesen, wo er, wie Francis Ford Coppola und Monte Hellman, einzelne Szenen inszenierte, ein Film, der zustande kam, weil Boris Karloff dem Studio noch einige Drehtage schuldete.

Nach der Trennung von der Produktionsgesellschaft AIP verfügte Corman von 1973 bis 1984 über sein eigenes Imperium: bei New World Pictures konnten junge, kostengünstige Regietalente ihr Handwerk lernen, u. a. Joe Dante, Jonathan Demme, Ron Howard, auch der Autor John Sayles erprobte sich hier in Genrefilmen mit ausgefeilten Charakteren – ein Modell, wie es heute ähnlich Jason Blum mit Blumhouse betreibt, der auch bekannten Regisseuren bei niedrigeren Gagen die Freiheit einräumt, Filme nach ihren Vorstellungen zu drehen. 

Als Verleiher brachte New World Werke von Bergman, Truffaut und Fellini erfolgreich in Amerika heraus – und das war keine Wohltätigkeitsveranstaltung. Die Balance zwischen Kalkül und Imagination ist Corman meistens geglückt. Seine Autobiografie trägt den Titel »How I Made a Hundred Movies in Hollywood and Never Lost a Dime«, aber er gibt auch zu, dass der antirassistische »The Intruder« 1962 kein Kassenerfolg war. »Das änderte meine Art, über Kino nachzudenken, zwischen Oberfläche und Subtext zu unterscheiden«, sagte er im Interview in Locarno 2016 und fügte schmunzelnd hinzu: »Im Jahr 2000 sprachen William Shatner und ich einen Kommentar für eine DVD-Veröffentlichung ein, so bekamen wir unser Geld schließlich doch noch zurück.«

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