Nachruf: Gina Lollobrigida

4.7.1927 – 16.1.2023
Gina Lollobrigida

Gina Lollobrigida

Gina Nazionale

Der Schönheitswettbewerb um die »Miss Italia 1947«, bei dem sie den dritten Platz belegte, sollte weitreichende Folgen für das italienische Kino haben. Sie zeigten sich nicht unmittelbar, denn zwei Jahre nach Kriegsende stand noch der Neorealismus hoch im Kurs, und Anna Magnani war dessen Gesicht. Gleichwohl kündigte die Schönheitskonkurrenz einen Paradigmenwechsel an. Die Siegerin Lucia Bosè, die Zweitplatzierte Gianna Maria Canale sowie Gina Lollobrigida sollten Stars eines restaurativeren Kinos werden, in dem andere Attraktionen zählten.

Lollobrigida wurde zum Inbegriff der maggiorata fisica, der »körperlichen Überbegabung«, die fortan Schlagzeilen und Kasse machte. Allein auf ihre äußere Erscheinung mochte sie sich nicht verlassen. Sie nahm früh Tanz-, Gesangs- und Zeichenunterrricht – zeitweilig ernährte sie die Familie mit Karikaturen, die sie von amerikanischen GIs anfertigte – und studierte neben ersten Filmauftritten drei Jahre an der Kunstakademie. In Melodramen von Riccardo Freda und Alberto Lattuada hinterließ sie zunächst keinen nachhaltigen Eindruck; als Komödiantin, namentlich an der Seite Vittorio De Sicas, allerdings schon. In dem Partisanendrama »Achtung! Banditi!« hatte sie noch teil an den Ausläufern des Neorealismus. Ein Bikinifoto erregte die Aufmerksamkeit des Produzenten Howard Hughes; der Vertrag mit ihm blieb zwar folgenlos, brachte ihr aber die erste Titelseite in »Life« ein. Als Partnerin von Gérard Philipe avancierte sie in »Fanfan, der Husar« und »Die Schönen der Nacht« Anfang der 1950er zu einem kontinentalen und dank Hauptrollen in Trapez und »Der Glöckner von Notre Dame« bald darauf zu einem globalen Star. Ihren eigentlichen Durchbruch feierte sie zwischendrin als selbstbewusste, kratzbürstige und gewitzte Dorfschönheit »La Bersagliera« in Luigi Comencinis Brot, »Liebe und Fantasie« sowie der Fortsetzung  »Brot, Liebe und Eifersucht«. Im dritten Teil übernahm ihren Part Sophia Loren, die für viele Jahre ihre Dauerrivivalin werden sollte.

Ehrgeizig arbeitete sie an ihrem Image, verklagte regelmäßig Zeitschriften und Produzenten. Mitte der 1950er nahm sie Unterricht, um Kritiker und Publikum endlich von ihrer schauspielerischen Begabung zu überzeugen. Dass sie dazu wenig Gelegenheit fand, ist vor allem ihrem ersten Ehemann anzulasten, der auch ihr Manager war. Er verheimlichte ihr Angebote von Fellini (für »La Dolce Vita«), Visconti (»Rocco und seine Brüder«) sowie Buñuel (»Viridiana«), die ihrer Karriere eine anspruchsvollere Richtung gegeben hätten. Sie gerann zum Klischee des temperamentvollen Sexsymbols. Als feurige Gegenspielerin Rock Hudsons in zwei touristischen Hollywoodkomödien setzte sie noch einmal komödiantische Glanzpunkte.  

Danach fristete sie, mit Ausnahme von Comencinis »Pinocchio« (1972), ein darstellerisches Gnadenbrot. Das »This was not my vote«, mit dem sie als Jurypräsidentin der Berlinale 1986 gegen die Auszeichnung für »Stammheim« protestierte, wurde berühmter als jede ihrer Dialogzeilen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich jedoch längst schon neu erfunden als Fotografin, deren Porträt- und Länderstudien gefeiert wurden. Sie kehrte zu ihrer ersten Liebe, der Malerei, zurück. Endlich erfüllte sich ihr Wunsch, etwas Ernsthaftes mit ihren Talenten anzufangen.
 

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