44. Filmfestival Max Ophüls Preis
»Breaking the Ice« ( 2022). © Johannes Hoss /Geyrhalterfilm
Das Saarbrücker Nachwuchsfilmfestival Max Ophüls Preis in seinem 44. Jahr: vielfältig und professionell
Momentan ist ja das Wort von der Misere des deutschen Films wieder in aller Munde. Es wird vor allem im Zusammenhang mit der Forderung nach einer Neuaufstellung der deutschen Filmförderung gebraucht, die nach Meinung vieler sich stärker in einen künstlerischen und einen wirtschaftlichen Zweig dividieren sollte. Wenn man sich aber auf Filmfestivals umsieht, die deutschsprachige Nachwuchsfilme zeigen (und da ist Saarbrücken das wichtigste), wird man schnell merken, dass künstlerisches Potenzial in Hülle und Fülle vorhanden ist – genau wie eine erstaunliche Professionalität und Souveränität.
Die konnte man etwa an »Breaking the Ice« ablesen, einem der vier österreichischen Filme in der Konkurrenz um den Max Ophüls Preis. »Breaking the Ice« ist ein Sportfilm, auch diese im Nachwuchs seltene Genrezugehörigkeit muss man dem Film hoch anrechnen. Mira (Alina Schaller) ist Kapitänin des Eishockeyteams »Dragons« im Burgenland, das ziemlich weit oben in einer hohen Liga mitspielt – und wo die Spielerinnen aber trotzdem kein Geld bekommen. Um die Mannschaft zu verstärken, hat die kanadische Trainerin eine neue Spielerin, Theresa (Judith Altenberger), abgeworben. Es entwickelt sich eine Beziehung aus Konkurrenz und Anziehung zwischen den beiden. Clara Stern nimmt sich in diesem Film (in dem die Schauspielerinnen Eislaufen lernen mussten und die – echten – Eishockeyspielerinnen Schauspielen) genügend Zeit, um auch Miras berufliches und privates Umfeld miteinzubeziehen: sie ist Winzerin, mit einem dementen Großvater und einer harten Mutter (Pia Hierzegger), zu der sie keine wirkliche Nähe findet.
Zwar ist der Konflikt zwischen Mira und ihrer Mutter nur ein Nebenschauplatz in »Breaking the Ice« (immerhin drei Preise, für Drehbuch, gesellschaftlich relevanten Film und den Preis der Jugendjury) – aber die Fremdheit und die Auseinandersetzungen zwischen den Generationen war das Thema vieler Filme beim Ophüls Preis in diesem Jahr, vor allem in Mutter/Tochter-Geschichten. In »Seid einfach wie ihr seid« von Alice Gruia führt eine Filmstudentin für ein Doku-Experiment ihre getrennt lebenden Eltern zusammen, in »Semret« von Caterina Mona versucht eine aus Eritrea stammende und in der Schweiz lebende traumatisierte Krankenschwester, ihre Teenager-Tochter an sich zu binden, und in »Sprich mit mir« machen Mutter und Tochter einen Ostsee-Urlaub, der aus dem Ruder läuft.
Auch in »Tamara« von Jonas Ludwig Walter muss sich die Tochter mit ihrer Mutter auseinandersetzen. Tamara (Linda Pöppel) wurde noch in der DDR geboren, hat sie aber nicht mehr erlebt, ihre Mutter Barbara (Lina Wendel) konnte in der vergrößerten Bundesrepublik den Anschluss nicht finden. »Tamara« erzählt von der Heimkehr der gewissermaßen verlorenen Tochter und der Beschäftigung mit der Leerstelle, die die Vergangenheit der Mutter für sie bedeutet und hinter der die Mutter sich auch versteckt. »Das ist meine Geschichte, das geht dich nichts an. Erzähl mir nicht, wie ich mein Leben gelebt habe«, sagt Barbara einmal. Walter hat ein Gespür für Atmosphäre und Bilder, und es gelingt ihm, mit leichter Hand seine private Geschichte mit einem im Osten virulenten gesellschaftlichen Problem zu verbinden: das Grundstück, auf dem das Haus der Eltern steht, gehört ihnen nicht.
»Tamara« gehörte zu den besten Filmen im Wettbewerb, auch wenn er bei der Preisvergabe leer ausgegangen ist. Den Max Ophüls Preis gewann »Alaska« von Max Gleschinski, eine Selbstfindungsgeschichte auf den Gewässern Mecklenburgs. Die beiden neuen künstlerischen Leiterinnen Carolin Weidner und Theresa Winkler haben einen im positiven Sinn heterogenen Wettbewerb aus 13 Filmen zusammengestellt. Zu dem gehörte auch der No-Budget-Horrorfilm »Enter Mycel« von Daniel Limmer (Österreich): wie ein Pilz die Kontrolle über die Menschen ergreift. Er macht aus der finanziellen Beschränkung mit Unschärfen und formidablem Schwarzweiß großes Horror-Kino. »The cheaper they are, the better they are«, hat der große Frank Zappa einmal über horror movies gesagt.
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